Tage Alter Musik – Programmheft 2016

7 T Age A LTeR M USIK R egeNSBURg Mai 2016 auf diesen Koalitionskrieg gegen Frankreich an. Den Beinamen „Paukenmesse“ erhielt sie wegen der Solopauken im Agnus Dei. Die Missa in tempore belli für vier Solisten, Chor, Orchester und Orgel ist in zwei Fassungen über- liefert, der autographen eisen- stadt-Fassung und der reicher instrumentierten Wiener Fassung. So sind in der früheren eisenstadt- Fassung nur einige Sätze der Kla- rinettenparts im Credo enthalten, wohingegen die spätere Wiener Fassung, die heute Abend aufge- führt wird, auch für die übrigen Sätze Klarinettenstimmen hat. Dies beweist ein sehr frühes Manuskript aus Klosterneuburg bei Wien. Haydns Autorschaft für dieses Manuskript konnte lange nicht sicher nachgewiesen werden, da das originale Stimmenmaterial aus eisenstadt verloren war. es stellte sich jedoch heraus, dass es zusammen mit Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe in einem Schornstein versteckt wurde, als die russischen Truppen das Schloss esterházy 1945 besetzten. Des Weiteren erklingen in der ersten Fassung die die Trompeten verstär- kenden Hörnerstimmen nur solistisch im gloria und Credo, während die Hörnerstimmen in der zweiten Fassung an allen Sätzen beteiligt sind. Dies belegt Aufführungsmaterial der Messe, das in den Musikarchiven der Hofkapelle zu Wien gefunden wurde. Schließlich sind in der Wiener Fassung durchweg Flötenstimmen enthalten, wohingegen das Autograph sie lediglich im „Qui tollis“ enthält. Das Kyrie der Missa in tempore belli beginnt mit einer langsamen einlei- tung, bevor das Hauptthema präsentiert wird. Das „Christe“ ist mit seinen vier Takten dagegen denkbar kurz. Nach einem stürmisch anfangenden gloria sticht insbesondere das lyrische „Qui tollis peccata mundi“ mit einer glanzrolle für Cello und Bass-Solo hervor, bevor ab „Quoniam tu solus sanctus“ ein feierlicher, weitgehend homophoner Teil erklingt. Am Anfang des darauffolgenden Credo setzen die vier Chorpartien nachein- ander mit einem jeweils neuen Textabschnitt ein. Bei „et incarnatus est“ wechselt Haydn zu einem langsamen Dreiertakt und lässt die Solisten einzelne Abschnitte des Textes singen, bevor der Chor bei „et homo factus est“ übernimmt. Für das „et resurrexit“ wechselt er passenderweise zum Dur. Das abschließende „et vitam venturi saeculi. Amen“ fängt mit einer Fuge an; anschließend lässt Haydn den Text größtenteils akkordisch deklamieren. Im Sanctus folgt auf eine langsame eröffnung ein lebhaftes „Pleni sunt coeli“ und ein feierliches „Osanna“. Am graziösen Benedictus sind bis auf den Tutti-Schluss hauptsächlich die Solisten beteiligt. Wenn aber nun das Agnus Dei mit seinen unheimlichen Paukenschlägen erklingt, so ist unmittelbar nach Beginn des Satzes zum ersten Mal das Paukensolo zu hören. Zusätzlich zu den Pauken werden im Agnus Dei Trompeten eingesetzt; beide Instrumente waren zu Haydns Zeit vorrangig Hoheitssymbole, die dem Adel am Hofe vorbehalten waren. Mit dem Wechsel zumAllegro con spirito wird der Beginn des letzten Teils deutlich markiert, an dem nun auch die Solisten beteiligt sind. Auch das Salve regina (Hob. XXIII/b:2) in g-Moll für vierstimmigen Chor, Streicher und obligate Orgel ist in eisenstadt entstanden. Haydn kompo- nierte das Werk 1771 angeblich in erfüllung eines gelübdes nach seiner genesung, da er zuvor schwer erkrankt war. Haydn hat den Text der Marienantiphon mit Hilfe von diversen Parametern musikalisch umge- setzt. So ruft bei der Textstelle „Ad te clamamus, exsules filii evae“ („Zu dir rufen wir, verbannte Kinder evas“) der ganze Chor zu den verbannten Kindern evas, wohingegen die Textstelle „Ad te suspiramus“ („Zu dir seufzen wir“) mit solistischen und absteigenden Seufzermotiven darge- stellt wird. Absteigende Linien im Adagio-Tempo sind bei der Textstelle „gementes et flentes in hac lacrimarum valle“ („trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen“) zu hören. Nach dem Wechsel vom Allegro zum Largo hört man im breiten und sehr ruhigen Tempo, wie die Bitte besungen wird, dass Jesus nach diesem elend die gebenedeite Frucht sei- nes Leibes zeige („et Jesum, benedictum fructum ventris tui, nobis post hoc exsilium ostende.“). Daraufhin erfolgt der letzte Tempowechsel ins Allegretto, in der die gütige, milde und süße Jungfrau Maria besungen wird („O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria“). Ungewöhnlicherweise bezieht sich auch Haydns Sinfonie Nr. 30 Hob. I:30 in C-Dur, die 1765 ebenfalls im Schloss esterházy entstanden ist, auf die Liturgie. Im ersten Satz (Allegro) wird nämlich die gregorianische Melodie des Oster-Allelujas im Hauptthema zitiert und daraufhin moduliert und mit anderen Themen kombiniert. Zu Beginn des zweiten Satzes (Andante) greift die Soloflöte den Themenkopf als Variante auf, und auch das von der Musikwissenschaftlerin Christa Landon so bezeichnete vogelrufartige Motiv in der Oboe im Dialog mit den Streichern lässt sich auf das Haupt- thema zurückführen. Der dritte Satz zeichnet sich durch die Verschmel- zung von Menuett und Finale zu einem im „Tempo di Menuet“ gehaltenen Rondo aus. Das Menuett hat zwei Trios: zunächst das ländlerartige erste, welches nur mit Flöte und Streichern besetzt ist, und daraufhin das zweite Trio, an dem das gesamte Orchester beteiligt ist. © Stefanie Hecht, UR Joseph Haydn

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