Tage Alter Musik – Programmheft 2017

11 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 tenmenschen anzuleiten, ihrem Willen zu dienen. Wie in vielen anderen Stücken des eton Choirbook gliedert Cornysh das Ave Maria, mater Dei durch den Wechsel von Stimmlagen: auf eine pathetische eröffnende anru- fung aller vier Stimmen folgen drei- und zweistimmige Teile, die dann zum gesamtgefüge zurückkehren. Quemadmodum ist eine Vertonung der ersten Verse von Psalm 41(42), die höchstwahrscheinlich in den letzten Lebensjahren John Taverners entstand. Sie ist nur als textlose Quelle erhalten und scheint seine reifste Komposition zu sein. Möglicherweise war er durch seine protestantischen Wurzeln dazu inspiriert, das Stück rein instrumental anstatt wie üblich mit gesang zu komponieren. Wenn es Tallis, und zwar zu Recht, zu verdanken ist, das englische Musikschaffen durch die turbulenten Jahre der Reformation gelotst zu haben, so war es Taverner, der als erster die traditionellen Kom- positionsformen der frühen Tudorzeit durchbrach. Seine Werke sind so fortschrittlich, dass man mit Recht behaupten könnte, Quemadmodum stehe neben jedem beliebigen Werk aus der Regierungszeit Marias I. John Sheppard wurde während der Herrschaft Heinrichs VIII. zum gent- leman der königlichen Kapelle (Chapel Royal) ernannt, nachdem er als Informator Choristarum amMagdalen College in oxford tätig war. ohne die Vervielfältigung des Buchdrucks, die erst in späteren Zeiten kam, und bei den ständig wechselnden Loyalitäten Sheppards zwischen Katholi- zismus und Protestantismus können zahlreiche Stücke kaum eindeutig datiert werden. Viele seiner katholischen Werke mit nur geringen stilisti- schen Variationen könnten aus der Regierungszeit Heinrichs oder Marias stammen. Vermutlich vertonte Sheppard das Libera nos, salva nos , als er in oxford war, da es amMagdalen College täglich zweimal gesungen wurde, obwohl es üblicherweise als Wechselgesang bei der Morgenliturgie am Sonntag Trinitatis verwendet wurde. Den Werken Sheppards ähnlich, enthält Tallis’ Loquebantur einen Cantus firmus als Hauptmelodie, der von geschickt gewebter Polyphonie umspielt wird. Tallis’ Motette ist ein Beispiel für einen polyphonen Wechselgesang, den Taverner geprägt hat. Sowohl Tallis als auch Sheppard trugen einige Stücke zu diesem genre bei. In dieser Motette für Pfingsten (wie die meis- ten Responsorien von Tallis) erklingt der Cantus firmus im Tenor, während die anderen sechs Stimmen ein lebhaftes polyphones gespinst darum weben, das in einer ausufernden musikalischen Bearbeitung des Wortes „Halleluja“ gipfelt. große Diskussionen gab es über Suscipe quaeso Domine , ein monumentales Stück in zwei Teilen, das für sieben Stimmen gesetzt ist. Vermutlich ist dieser sehr bußfertige und rhetorische Text anlässlich der Zeremonie geschrieben und vorgetragen worden, bei der Kardinal Pope england im november 1554 vom Schisma lossprach. Der sehr emotionale Text spiegelt sich in Tallis’ Komposition wider: Der harmonische Lagenwechsel und einsatz von Homophonie beim Wort „peccavi“ („ich habe gesündigt“), das an die steigende Sehnsucht des „gratia tua“ („durch Deine gnade“) angrenzt, ist deutlich zu hören, und die nachdrücklichen Fragen im zwei- ten Teil sowie das wiederholte „Quis enim iustus?“ („Welcher gerechte Mann?“) scheinen direkt an das Publikum gerichtet zu sein. Die Karriere von Robert Parsons überspannte die Regierungszeit dreier englischer Könige. er war gentleman der Chapel Royal und später assis- tent von Richard Bower, der zu dieser Zeit dort Chorleiter war. Sein Werk zeigt völlige Beherrschung polyphonen Komponierens mit kunstvoller Verwendung des Cantus firmus. Deliver me from mine enemies ist zweifellos vom franko-flämischen Stil auf dem Festland beeinflusst. es ist vonanfang bis ende voll instrumentiert und die Textpassagen sind eindrucksvoll: Das Werk stützt sich grundlegend auf gedrängte Imitation mit einem Kanon für die zwei höchsten Stimmen und steht damit dem sonst üblichen homo- phonen Stil unter edward VI. entgegen. über das Leben von Robert White ist wenig bekannt. Möglicherweise in London geboren, war er zunächst Chorsänger und dann Student am Tri- nity College in Cambridge. er hatte eine anstellung bei den Kathedralen von ely und Chester, bevor er 1569 Chorleiter an der Westminster abbey wurde, wo er bis zu seinem Tod blieb. Seine gesangsstücke repräsentieren die ältere Tradition lateinischer polyphoner Kompositionen. Sie wurden zu seinen Lebzeiten sehr bewundert. er schrieb vier Vertonungen der mittelalterlichen Komplethymne Christe, qui lux es et dies, von denen unsere Fassung die schlichteste ist; darin erscheint die gesangsmelodie in der zweiten und sechsten Strophe in der oberstimme und in der vierten Stro- phe im Tenor. Die restlichen Strophen werden im Stil des gregorianischen Chorals ohne instrumentale Begleitung gesungen. Vigilate ist wegen ihrer Kraft und ihres einfallsreichtums im Madrigalstil eine sehr beliebte Motette Byrds sowohl für Sänger als auch aus musik- theoretischer Sicht. Die erstveröffentlichung 1589 lässt darauf schließen, Owain Park

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