Tage Alter Musik – Programmheft 2017

bevollen und hinreißenden Adagio molto im Zentrum. Der Satz, den wir heute als dritten Satz der großartigen Kreutzer-Sonate op. 47 ken- nen, wurde ursprünglich von Beethoven als Finalsatz dieses früheren Werks konzipiert. Beethoven merkte jedoch, dass der Umfang dieses ursprünglichen Satzes viel zu groß und, in seinen eigenen Worten, zu „brillant“ für dieses lyrische Werk war. Klugerweise wählte er stattdessen einen charaktervollen Variatio- nensatz als abschluss der Sonate a-Dur. Die stürmische Sonate c-Moll folgt als nächstes Werk in opus 30. es ist die längste der drei Sonaten, eine breit angelegte erzählung in vier Sätzen. Die zwei stürmischen ecksätze, beide auf kur- zen Motiven beruhend, bilden den äußeren Rah- men des Werks. Die ornamentierten abwärts- dreiklänge des Kopfsatzes verheißen möglicher- weise bevorstehendes Unglück. nach dieser tumultartigen, stürmischen eröffnung, die mit Fortissimo-akkorden endet, die zwischen den zwei Stimmen hin- und hergereicht werden, offeriert Beethoven uns einen komischen Marsch. Der Satz fegt dramatisch seinem wir- belnden ende entgegen. Ist es das Schicksal, das im Motiv des Schluss- satzes an die Tür klopft? Beethovens mittlere Schaffensperiode klingt überall in diesemWerk an. Der zweite Satz, Adagio cantabile , bietet einenaugenblick der Schönheit, erkundet eine andere Welt voller Lyrik undanmut – die einzige ausnahme kommt gegen ende: Wir hören brillante, gebrochene Tonleitern, eine Bestä- tigung, dass Beethovens kreativer Funke nie versiegte. Darauf folgt ein spielerisches Scherzo, ein scheinbares Menuett, das jedoch wie ein Marsch klingt und hier im Allegro steht, wobei der erste abschnitt ausdrücklich nicht wiederholt werden soll, wie es üblich gewesen wäre. Man darf anneh- men, dass Beethoven sich hier in Sachen Form und gängiger komposito- rischer Praxis einen Spaß erlaubte. Beethoven beschließt sein opus 30 mit der funkelnden Sonate g-Dur. Die zwei ecksätze sind beide voller überschwang. Der Kopfsatz beginnt mit einer einstimmigen Rakete in beiden Stimmen, gefolgt von dynamischen überraschungen. ImMittelsatz zeigt Beethoven wieder einmal seinen kre- ativen Umgang mit gängigen Formen, indem er dem Menuett eine unty- pische Tempobezeichnung voranstellt: ma molto moderato e grazioso – „aber sehr gemäßigt und graziös“. Hier finden sich ebenso elegante Momente wie einige unerwartete kurze Mollpassagen, die einen Hauch von Tragik verbreiten. Der letzte Satz klingt wie ein ländlicher Volkstanz, mit einer brummenden Phrase imwiederkehrenden Thema des Rondos. – Mag die- ses ende auch an Haydn erinnern, so macht es doch Windungen und Wen- dungen in echt Beethoven’schem Stil. © Susanna Ogata (Übersetzung: Alexa Nieschlag) 17 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 L UDWIG vAn b EETHOvEn (1770-1827) S OnATEn FüR K LAvIER UnD v IOLInE OP . 30 Sonate A-Dur, opus 30 nr. 1 Allegro Adagio molto espressivo Allegretto con Variazioni Sonate c-Moll, opus 30 nr. 2 Allegro con brio Adagio cantabile Scherzo. Allegro Finale. Allegro-Presto Sonate G-Dur, opus 30 nr. 3 Allegro assai Tempo di Menuetto, ma molto moderato e grazioso Allegro vivace Susanna Ogata spielt auf einer Joseph-Klotz-Geige von 1772, Ian Watson spielt auf dem Nachbau eines Hammerflügels von Anton Walter (1752-1826) aus der Werkstatt von Paul McNulty (2000). Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente Paul McNulty, CZ-25726 Divisov, für die freundliche Bereitstellung des Hammer- flügels. P ROGRAMM Susanna Ogata & Ian Watson © Tatiana Daubek CDs: L. v. Beethoven: Sonaten für Klavier und Violine, Volume I-III

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