Tage Alter Musik – Programmheft 2017

hundert und ausschließlich für mehrsätzige geistliche gesangsstücke verwendet wurde. einige wenige lateinische Texte werden durch deutsche Partituren aus unterschiedlichen Quel- len ergänzt. neben einzelnen Bibelzitaten, Psal- men und evangelien gleichen viele dieser Par- tituren andachtsgedichten, Kommentaren in Versform, die, lose von Frömmigkeit angeregt, von Seelsorgern, Theologen und manchmal von den Komponisten selbst für bestimmte anlässe geschrieben wurden. Die Themen entsprangen den Wechselfällen des Lebens, der sündhaften Verwirrung der Seele, der gewissheit, Jesus im Jenseits zu begegnen, oder Dankgebeten und dem Lobpreis gottes. Heinrich Schütz, der auf eine lange Karriere als Kapellmeister am Dresdner Hof zurückblickte, war zweifellos der erste deutsche Musiker von internationalem Rang. aufgrund der hohen Qualität seiner Werke und seiner unermüd- lichen Lehrtätigkeit wurde er bald nach seinem Tod als „das Universalgenie deutscher Musiker“ betrachtet. In seinem geistlichen Konzert „erbarme dich mein, o Herre gott“ erreichte er einen bis dahin unbekannten Höhepunkt an ausdrucksstärke. es handelt sich dabei um ein als Chormelodie gesetztes ergreifendes Flehen um gnade. Dietrich Buxtehude, in Dänemark geboren, gilt als der größte deutsche Musiker zwischen Schütz und Bach; er hatte eine Lebens- stellung als organist an der Marienkirche in Lübeck, wo er äußerst populäre öffentliche Kon- zerte während der Fastenzeit organisierte. am berühmtesten sind seine außerordentlichen orgelkompositionen, die sogar Johann Sebastian Bach sehr bewunderte. er schrieb Kantaten von bunter Vielfalt der gesanglichen und instrumen- talen Musiksprache. In seiner Klage „Muß der Tod denn auch entbinden“ erweist Buxtehude seinem Vater, der im Januar 1674 starb, in bewe- gender Weise die letzte ehre. In dem „Jubilate Domino, omnis terra“ ergänzt die Viola da gamba melancholisch die gestaltung des Preis- lieds durch die Singstimme. Zwischen Schütz und Buxtehude bestellten Dut- zende von Komponisten, die füreinander Meis- ter und Schüler waren und voneinander lernten, viele generationen lang das fruchtbare musika- lische Feld. Unter ihnen waren die Musiker aus der Familie Bach schon während des 17. Jahr- hunderts in Sachsen und Thüringen sehr zahl- reich. Johann Christoph Bach , organist inarnstadt und eisenach, war ein Cousin von Johann Sebas- tians Vater. als anschauliches Beispiel für seine zahlreichen Kantaten spricht sein Lamento „ach, daß ich Wassers gnug hätte“ von den Lei- den einer verwirrten Seele, die von ihren gefüh- len überwältigt wird. Die katholischen Musiker, angeregt durch ihre lutherischen Kollegen, stan- den hinter diesen jedoch keineswegs zurück. 1657 komponierte Johann Hein- rich Schmelzer das Lamento für seinen ersten Dienstherrn, Kaiser Ferdi- nand III.‚ der imalter von 48 Jahren gestorben war. obwohl es einer sehr hochgestellten Persönlich- keit gewidmet war, scheint Schmelzer es nicht in offiziellem auftrag, sondern eher als Zeichen seiner Freundschaft geschrieben zu haben. Der Kaiser war selbst Musiker und im ersten Satz verwendete Schmel- zer eine musikalische Phrase aus einem Madri- gal, das der Kaiser auf das Thema der Kürze des Lebens komponiert hatte. Später hört man im Lamento, wie die Instrumente das grabgeläute nachahmen: etwas, wofür die Barockmusik berühmt ist. Heinrich Ignaz Franz Biber, ein Schüler Schmel- zers, trat sowohl als geigenvirtuose wie als Komponist von Sonaten für Violine und für Streicherensembles in die Fußstapfen seines Lehrers. eine seiner außergewöhnlichen Samm- lungen sind die „Sonatae tam aris quam aulis ser- vientes“ (Sonaten, die entweder am Altar oder am Esstisch gespielt werden können) , die 1676 veröf- fentlicht und seinem Dienstherrn, dem erzbi- schof von Salzburg, gewidmet wurden. Ihre dichte notation und ihre Sätze mit schnellen und sehr plötzlichen, kontrastreichen Wechseln, die oft auf Tanzrhythmen basieren, folgen dem Modell, das Schmelzer adaptiert hatte, aber in einem dezidierten Sinn für dramatischen aus- druck und einem sehr persönlichen Stil. Christian Geist erhielt von seinem Vater Joachim, dem Kantor an der Domschule in güstrow (norddeutschland), seinen ersten Musikunter- richt. Um das Jahr 1669 arbeitete er am Däni- schen Hof in Kopenhagen und seit 1670 musi- zierte er unter der Leitung von gustav Düben im Schwedischen Hoforchester. Danach war er bis 1679 in Stockholm tätig und 1680 wurde er organist der Deutschen Kirche in gothenburg. Von 1684 bis zu seinem Tod war er organist an der „Heiligaankirche“ in Kopenhagen, wo er, zusam- men mit seiner dritten Frau und seinen Kindern, an der Pest starb. an geist wurde besonders sein „feiner Stil“ geschätzt, mit dem er den der Italiener nachempfand. nur 28 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 CD: J. H. Schmelzer, Sacro Profanus, Sonatas Johann Heinrich Schmelzer Heinrich Ignaz Franz Biber Das einzige erhaltene Porträt; es stammt aus den Sonatae violino solo 1681 [C. 138–145]. Die Inschrift lautet: „Paulus Seel sculpsit“, also „Gestochen von Paul Seel“. Die Umschrift lautet: „HENRICUS I.F. BIBER CELS:mi AC REU:mi PRINCIPIS ET ARCHIEP SALISBURG: CAPELLÆ VICE- MAGISTER ÆTAT: SUÆ XXXVI: ANNO- RUM“, also: „Heinrich I.F. Biber Vize-Kapell- meister des höchst erhabenen und höchst ver- ehrungswürdigen Fürsten und Erzbischofs zu Salzburg seines Alters 36 Jahre“ Heinrich Schütz

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