Tage Alter Musik – Programmheft 2017

37 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 interdisziplinärer ansatz notwendig ist, um das musikalische erbe in ein breiteres Bewusstsein zu rücken. 2005 gründete er La grande Chapelle und das angeschlossene CD-Label, um in Konzerten undaufnahmen ver- gessene Komponisten und Werke aus dem Spanien des 17. und 18. Jahr- hunderts wieder ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Seit 2007 steht er La grande Chapelle als musikalischer Leiter vor. Zum Programm: Juan Hidalgo. Musik für Philipp Iv., den Rey Planeta Der Komponist Juan Hidalgo de Polanco (1614–1685) ist zweifellos eine der wichtigsten musikalischen Persönlichkeiten im Spanien des 17. Jahr- hunderts, auch wenn er heute nicht die gleiche anerkennung genießt wie seine berühmten europäischen Zeitgenossen Francesco Cavalli, Heinrich Schütz oder Jean-Baptiste Lully. Bekannt ist er heute praktisch nur als Schöpfer der Zarzuela und der oper in Spanien – in Zusammenarbeit mit Calderón de la Barca. Dabei umfasst sein Schaffen auch eine große Zahl canciones líricas (lyrische Lieder), darunter tonos „humanos “ und tonos „divi- nos “ [weltliche und geistliche gesänge] sowie villancicos. Deren großes Renommee lässt sich an der Vielzahl vonabschriften ablesen, die zwischen den gleichaltrigen Musikern und Kapellmeistern kursierten und die heute von zahlreichen archiven und Bibliotheken in europa und amerika sorg- sam gehütet werden. Das heutige Programm ist somit dem angesehenen Komponisten von tonos und villancicos gewidmet, die dieser während sei- ner Zeit in Diensten der Könige Philipp IV. (1630/31–1665) und Karl II. (1665–1685) schrieb. biografische notiz Juan Hidalgo wurde am 28. September 1614 in Madrid geboren. Mangels persönlicher Zeugnisse über den Komponisten (eigene aufzeichnungen, Korrespondenz, Inventarlisten…) kann seine Biographie nur in groben Zügen anhand einer leider lückenhaften Dokumentation administrativen Charakters (zivil oder kirchlich) oder mittels kürzester Hinweise auf seine Person in anderen Schriftstücken umrissen werden. Juan Hidalgo dürfte imalter von etwa sechzehn Jahren als Harfenist in die Königliche Kapelle eingetreten sein. allerdings ist über seine ausbildung nichts bekannt, auch wenn wiederholt darüber spekuliert wurde: Denn seine ersten musikali- schen Kenntnisse könnte er sehr gut im familiären Rahmen erworben haben, schließlich waren sowohl sein Vater als auch sein großvater müt- terlicherseits geigenbauer. In jedem Fall könnte man seine ausbildung in einer Zeit, in der die Musikerziehung den Lehrern der Kathedrale oder der Schule vorbehalten war, als untypisch bezeichnen. Im Jahr 1633 wurde er außerdem zum claviarpista berufen – die claviarpa (Klavierharfe) ist ein wenig bekanntes Instrument, das zu diesem Zeitpunkt schon kurz vor dem aussterben stand. So blieb Hidalgo also mehr als 50 Jahre lang als Harfenist im Dienst der Real Capilla , und dennoch wissen wir nichts über seine beruflichen Beziehungen, sei es zu den Kapellmeistern, die sie leiteten (vor allem Carlos Patiño, aber auch Francisco escalada oder Cristóbal galán), sei es zu den übrigen Vokalisten und Instrumentalisten, die bei dieser Institution im Lauf der Jahrzehnte angestellt waren. abgesehen von seiner Tätigkeit als Instrumentalist wurde Juan Hidalgo im Jahr 1640 zum „notar der Heiligen Inquisition“ berufen, ohne dass über diese Facette seines Lebens weitere Details bekannt wären. Doku- mentiert ist hingegen, dass er ab 1645 den Posten des „maestro de toda la Real Cámara en Palacio y Buen Retiro…“ innehatte und somit offizieller Kam- mermusik- und Theaterkomponist des Hofes war, ein amt, das er bis zu seinem Tod ausübte. In dieser Funktion war er dafür zuständig, die Musik für jene Veranstaltungen zu schreiben, mit denen bei Hofe die dynastischen Feste oder bedeutsame politische ereignisse gefeiert wurden. es verwun- dert daher nicht, dass Hidalgo, zuständig für die Verherrlichung des Bildes des Rey Planeta (Philipp IV.), das ästhetische Ideal der spanischen Monar- chie zeichnete. Die übrigen biografischen Dokumente über den Komponisten aus dem Zentralarchiv des Palacio Real und aus weiteren Madrider archiven bezie- hen sich fast ausschließlich auf konkrete und eher marginale aspekte sei- ner beruflichen Tätigkeit: anträge auf gehaltserhöhung, Bewilligungen verschiedener Renten und Pensionen (die ihm eine sorgenfreie ökonomi- sche Lage bescherten) und vor allem einige anerkennungen seiner arbeit als Musiker. Darunter sticht eine hervor, die in einem Memorandum des Patriarca de las Indias – zu dieser Zeit hauptverantwortlich für die König- liche Kapelle – an König Karl II. festgehalten ist. In diesem Dokument, in dem es um die kostensparende Umstrukturierung der Kapelle geht, wird bestätigt, dass Hidalgo „höchste Kunstfertigkeit besitzt und zu jeder Zeit die höchsten ehrungen seitens Seiner Majestät verdient hat“, weshalb es für angezeigt gehalten wird, dass ihm „nichts von dem abgezogen werde, was ihm zusteht“. Wenige Jahre später, anlässlich seines Todes im März 1685, befahl Karl II. der Witwe Hidalgos, Francisca Paula de abaunza, dem Palast sämtliche Kompositionen zu übergeben, die sich noch in ihrem Besitz befanden. Musikalisches Schaffen es ist anzunehmen, dass dieser anordnung Folge geleistet wurde, doch unglücklicherweise traf das schreckliche Feuer, das den Real Alcázar am Weihnachtsabend 1734 zerstörte, auch die Bibliothek mit voller Wucht, in der die musikalischen Bestände der Real Capilla aufbewahrt wurden. Des- halb ging wohl ein großteil der Werke Hidalgos zu diesem Zeitpunkt ver- loren. Die allesamt handschriftlich erhaltenen etwa 200 Werke finden sich heute in verschiedenen Bibliotheken und archiven verstreut, sowohl in europa (vor allem natürlich in Spanien, aber auch in Portugal, Italien und Deutschland) als auch in nord-, Mittel- und Südamerika (Vereinigte Staa- ten, Mexiko, guatemala, argentinien, Bolivien, Peru). Diese Verbreitung belegt Hidalgos ansehen als Komponist und die künstlerische Reichweite Eugenia Boix, Sopran Foto: áfrica Sanjuán Lina Marcela López, Sopran Foto: Romain Bockler Gabriel Díaz Cuesta, Countertenor Foto: noah Shaye Gerardo López Gámez, Tenor Foto: Daniel Díaz

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