Tage Alter Musik – Programmheft 2017

38 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 seines Schaffens, gleichzeitig erschwert sie dessen vollständige Untersu- chung aber auch in erheblichem Maße. In jedem Fall und auf den grundlagen der überlieferten Quellen sind die von ihm komponierten ersten Zarzuelas ( El golfo de las sirenas – „Die Sire- nenbucht“ und El laurel de Apolo – „Der Lorbeer des apollo“) und der ersten spanischen opern ( La púrpura de la rosa – „Der Purpur der Rose“ und Celos aun del aire matan – „Selbst aus der Luft kann eifersucht töten“) einer der herausragenden aspekte in Hidalgos musikalischem Œuvre – Früchte seiner umfangreichen Zusammenarbeit mit demDramatiker Pedro Calderón de la Barca (1600–1681). Darüber hinaus hat Hidalgo Musik zu weiteren szenischen Vorlagen geschrieben, darunter mythologische Dra- men ( La estatua de Prometeo – „Die Statue des Prometheus“), höfische Komödien ( Ni Amor se libra de amor – „nicht einmal amor kann sich von der Liebe freimachen“) und andere „ representaciones o fiestas de música “ („musikalische Vorstellungen oder Festlichkeiten“), sei es von Calderón ( Fieras afemina Amor – „amor zähmt Bestien“) oder von anderen zeitge- nössischenautoren wie Juan Vélez de guevara (1611–1675): Los celos hacen estrellas – „Die eifersucht gebiert Sterne“. all diese gemeinschaftsarbeiten lassen Hidalgo als den wichtigsten spanischen Theaterkomponisten des 17. Jahrhunderts erscheinen. Sein musikalisch-szenisches gespür bildet zweifellos die grundlage für seine Fähigkeit, Figuren zu charakterisieren, sowie für sein geschick bei der Verwendung seinerzeit beliebter poetisch- musikalischer Formen italienischen Ursprungs (Rezitative, ariosi, arien, Duos und Ritornelle). Diese benutzte er imWechsel mit typisch spanischen, populären und tanzbaren Formen (ein- oder vierstimmige tonos humanos mit coplas und estribillo ) oder passte sie diesen an. Tonos humanos [Weltliche gesänge] Die dem theatralen genre zuzuordnenden tonos humanos von Hidalgo sind relativ kurze, maximal vierstimmige Stücke. Diese eigenschaften teilen sie mit den tonos camerísticos , was die seinerzeit übliche Durchlässigkeit zwischen dem Theater- und dem Kammermusikrepertoire beweist. Somit könnte man die Calderón-opern aus einem rein musikalischen Blickwinkel heraus als eine abfolge von tonos humanos betrachten, wobei jeder von ihnen eine dramatische Szene definiert und zusammenfasst. In Kettenform hängen sie mittels Reihung oder verbindender Passagen aneinander, wobei jedes Hauptglied eine autonome musikalische einheit darstellt, die aus dem Zusammenhang gelöst werden und unabhängig davon funktionieren kann. Dank der Studien und notenausgaben zahlreicher Spezialisten (wir beziehen uns unter anderem auf Danièle Becker, Francesc Bonastre, Car- melo Caballero, Juan José Carreras, María asunción Flórez, Luis antonio gonzález Marín, Bernardo Illari, Mariano Lambea, Luis Robledo, Pablo L. Rodríguez, Jack Sage, Louise Stein, Álvaro Torrente und alejandro Vera) können wir Hidalgo einerseits als Kammermusikkomponisten kennenler- nen, der seine Meisterschaft in der Kunst vokaler Kompositionen entfaltet (wobei das solistische Repertoire herausragt), andererseits als Komponis- ten für das Theater. Letzterer unterstreicht die dramatische Handlung sub- til und kenntnisreich in Form von Soli, Rezitativen, Duetten und mehr- stimmigen, im homophonen Satz stets textverständlichen Passagen. Doch Hidalgos Inspiration galt nicht nur dem Theater und der weltlichen Kammermusik. abschriften seiner Werke bezeugen überdies seine Kom- petenz im Bereich religiöser volkssprachlicher Musik, einer der amwenig- sten bekannten Bestandteile seines Schaffens. Hierbei muss zwischen den von Hidalgo gleichermaßen virtuos behandelten tonos divinos (geistlichen gesängen) und den polyphonen villancicos unterschieden werden. Tonos „a lo divino“ [geistliche gesänge] Die tonos divinos sind ein interessantes Beispiel für die Kunst der Korres- pondenz im spanischen Barock: So wie der tono humano die Liebe zwischen Mann und Frau besingt, so korrespondiert diese Liebe metaphorisch mit jener zu gott. Illari zufolge eröffnen diese symbolischen Verbindungen die Möglichkeit, die amourösen Lieder im religiösen Rahmen, im Kloster und bei der andacht zu pflegen, sei es als Teil des gottesdienstes, als gemein- schaftlicher ausdruck des glaubens oder im privaten Kreis. Das Besingen der menschlichen Liebe wurde offenbar mehr oder weniger automatisch als ein Lobpreis gottes verstanden. eine weitere interessante Korrespon- denz besteht in der musikalischen Ähnlichkeit zwischen den „mensch- lichen“ und „göttlichen“ gesängen, die sich im austausch einiger Stücke zwischen beiden Repertoires zeigt. So benutzt Hidalgo szenisches Material neu, um es mittels der Technik der Kontrafaktur in villancicos für den Kir- Albert Recasens Foto: David Blazquez

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=