Tage Alter Musik – Programmheft 2017

51 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 Tobias Lämmerhirt in der ersten augusthälfte 1707. Sie könnte jedoch auch Mitte September 1708 im Rahmen eines Trauergottesdienstes für den Mühlhäuser Bürgermeister adolf Strecker aufgeführt worden sein, zu dessen amtseinführung Bach wenige Monate zuvor die bereits erwähnte Kantate BWV 71 komponiert hatte. Der Text der Kantate, der von Bach selbst oder von georg Christian eil- mar, dem oberpfarrer der Marienkirche in Mühlhausen, zusammenge- stellt worden sein könnte, besteht überwiegend aus Bibelzitaten sowie einzelnen Kirchenliedstrophen Martin Luthers und adam Reusners. er entspricht damit einem älteren Kantatentypus, in dem nicht nur auf die Verwendung von freier Dichtung verzichtet wurde, sondern auch keine Rezitative oder umfangreichere arien vorgesehen waren. Die Zusammenstellung der Bibelpassagen orientiert sich im Wesentlichen an Johannes olearius’ Christlicher Bet-Schule (3. ausfertigung, Leipzig 1668). Den musikalischen Rahmen des mit Sopran, alt, Tenor und Bass sowie 2 Blockflöten, 2 gamben und Continuo besetzten Werkes bilden ein als „Sonatina“ bezeichneter selbständiger Instrumentalsatz (nr. 1), in dem die beiden Holzblasinstrumente über einem klanglichen Untergrund der Streicher und des Continuo konzertieren, und ein schlichter vierstimmi- ger Chorsatz mit anschließender Fuge auf der Basis der siebten Strophe von Reusners „In Dich hab ich gehoffet, Herr“ (1533). Der Mittelteil der Kantate besteht aus zwei durch eine generalpause voneinander getrenn- ten mehrgliedrigen Satzkomplexen (nr. 2 und 3) mit Chören, arien oder ariosi und Verbindungen aus Chor bzw. Choral (Luthers „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“, 1524) und arioso. als Symmetrieachse der ge- samten Kantate stellt der vor der generalpause zu musizierende Chor „es ist der alte Bund“ (nr. 2d) zweifellos einen ersten Höhepunkt dar: nach einer nur vom Continuo begleiteten dreistimmigen Fuge der drei unteren Singstimmen über „es ist der alte Bund“ (Sir 14,18) kombiniert Bach im Folgenden diese Fuge zunächst mit demarioso des Soprans „Ja komm, Herr Jesu“ (offb 22,20), dessen Melodieverlauf an den Choral „Herzlich tut mich verlangen nach einem sel’gen end“ erinnert, und krönt das ganze schließlich durch die Hinzufügung einer weiteren text- lichen ebene in gestalt eines dreistimmigen Instrumentalsatzes über den Choral „Ich hab mein Sach’ gott heimgestellt“. als Bach am 25. Juni 1708 beim Rat der Stadt Mühlhausen um seine ent- lassung bat, zeigte sich deutlich, dass er in seiner eigenschaft als organist vergeblich gehofft hatte, dort „eine regulirte kirchen music zu gottes ehren“ zu etablieren. Und auch in seiner neuen Position als organist und Kammermusiker am Weimarer Hof bot sich ihm ab Juli 1708 wohl zunächst nur selten die Möglichkeit, für größere ensembles zu kompo- nieren. In den ersten fünfeinhalb Jahren seiner Weimarer amtszeit ent- standen deswegen offenbar nur wenige Kantaten, darunter möglicher- weise Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt bWv 18 zum Sonntag Sexagesimae, aufgeführt am 19. Februar 1713, am 4. Februar 1714 oder spätestens am 24. Februar 1715. Das letztgenannte Datum fällt allerdings bereits in die Zeit, in der Bach in seiner neuen Funktion als Konzertmeister nun endlich die Möglichkeit gehabt hätte, monatlich „neue Stücke“, d. h. Kantaten, zu komponieren und aufzuführen. aus bisher nicht bekannten gründen scheint sich Bach nicht lange an diese Olivier Spilmont, Leitung Pascal Bertin, Alt Thomas Hobbs, Tenor Foto: B. ealovega Etienne Bazola, Bass Foto: Diego Salamanca Maïlys de Villoutreys, Sopran Foto: B. ealovega Mühlhausen (Thüringen) um 1650

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