Tage Alter Musik – Programmheft 2017

55 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 einige Streichungen vor, jedoch hauptsächlich, um die Stringenz des Werks insgesamt zu steigern; diese Streichungen wurden in spä- teren aufführungen beibehalten und lassen deshalb keine Rück- schlüsse auf unzureichende Qua- lität der ausführenden zu. andere Änderungen waren kon- struktive Reaktionen auf die Fähigkeiten spezifischer in Dublin verfügbarer Sänger. Hier war am bedeutsamsten Händels entschei- dung, in jedem der drei Teile eine alt-arie mit Mrs. Cibber, der Schwester von Thomas arne, zu besetzen. Cibber war als hervorra- gende Schauspielerin bestens bekannt, hatte jedoch kurze Zeit vorher den Skandal einer außer- ehelichen affäre durchgestanden. Ihr auftritt in Dublin markierte den Beginn ihrer Rückkehr ins öffentliche Leben in sicherer Distanz zu Lon- don. obwohl sie keineswegs eine gesangsspezialistin war, versprachen ihre auftritte eine zweifellos herausragende Qualität an ausdrucksver- mögen. Die arie „He shall feed his flock“ in Teil 1, ursprünglich für Sopran in B-Dur gesetzt, wurde deshalb für Mrs. Cibber um eine Quarte nach unten nach F-Dur transponiert. Die arie in Teil 2 „He was despised and rejected“ befand sich bereits in der richtigen Stimmlage, und in Teil 3 transponierte Händel die arie für Sopran „If god be for us, who can be against us“ von g-Moll nach c-Moll, um so Mrs. Cibber die Schlussarie zu überlassen, die üblicherweise der führenden Solostimme vorbehalten ist. Die andere größere Änderung ist das ersetzen der originalversion der arie „How beautiful are the feet“ (aus dem Brief an die Römer 10,15, wie von Charles Jennens, dem Verfasser des Librettos, vorgesehen) durch ein Duett für zwei altstimmen und Chor, wobei der Text mit der gleichen Zeile aus Jesaja 52,7-9 einsetzt. Dadurch ist amanfang auch das musika- lische Material der originalversion sehr ähnlich, weicht jedoch dann mit der Chorpassage „Break forth into joy“ völlig davon ab. Dies legt die Ver- mutung nahe, dass Händel bestrebt war, sein Werk den Stimmen der Sän- ger anzupassen, die ihm in Dublin zur Verfügung standen, insbesondere den Männern der beiden Kathedralchöre, die mit dieser art des Chorge- sangs vertraut waren. Während Händel mit Christina Maria avoglio eine professionelle italie- nische Sopranistin zur Verfügung stand, griff er bei den übrigen Solisten auf die beiden Kathedralchöre zurück: Zwei männliche altstimmen (Joseph Ward und William Lamb) teilten sich die restlichen alt-Soli; die Tenor-arien und -Rezitative wurden von James Bailey übernommen und John Mason sowie John Hill sangen die Bass-Soli, wobei Hill anscheinend nur „Why do the nations so furiously rage together“ übernahm. Mason und Lamb waren ehemalige Schüler der Chapel Royal in London und könnten daher Händel persönlich gekannt haben. In echtem Kathedralstil bildeten all diese Solisten auch den Kern des Chors; so erhielt das Werk nicht nur ein breites Spektrum an Klangfarben in den Solopartien, sondern auch einen viel persönlicheren und anpassungsfähigeren Chor als bei vie- len späterenaufführungen (bei denen die Solisten vermutlich nicht gleich- zeitig dem Chor angehörten). außerdem ist zu bedenken, dass Händel das musikalische Material für fünf Chorpartien des Messias etwa ein Jahr vorher bereits als italienische Duette verwendet hatte. Händel dürfte diese innigen, aber auch höchst kraftvollen und virtuosen Duette zumindest im Kopf gehabt haben, als er die ersten Versionen des Messias kompo- nierte und zur aufführung brachte. Zoë Brookshaw, Sopran Laura Oldfield, Sopran Foto: antonia Couling Kate Symonds-Joy, Alt Foto: Tony gould-Davies Rod Morris, Alt Alex Ashworth, Bass Foto: Debbie Scanlan Ruairi Bowen, Tenor Foto: Michael Whitefoot Thomas Herford, Tenor

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