Tage Alter Musik – Programmheft 2017

Die Herausforderung dieser aufführung besteht darin, etwas von der Fri- sche der ersten öffentlichenaufführungen des Messias wiederzugewinnen, indem man sich vorstellt, welchen eindruck das Werk gemacht haben muss, wenn man es zum allerersten Mal hörte. Bei seiner Untersuchung der Listen erwachsener Sänger in den zwei Kathedralchören abzüglich derjenigen, die wahrscheinlich ordiniert (und damit von weltlichen auf- führungen ausgeschlossen) waren, vermutete Donald Burrows, dass der ursprüngliche Chor wohl aus nicht mehr als drei oder vier Sängern je Stimme bestand. Dies ermöglicht es zweifellos, die besonderen Stärken von Solomon’s Knot, dessen Sänger gleichermaßen im Solo- und ensem- blegesang erfahren sind, zu nutzen. Dadurch können die Soloarien ähnlich wie zu Händels Lebzeiten aufgeteilt werden. Damit wird auch dem vir- tuosen Ursprung zumindest einiger der Chorpartien Rechnung getragen sowie dem hohen niveau an genauigkeit undausdruck, das eine kleinere gruppe spezialisierter Sänger erreichen kann. Die abfolge der Sätze in der Dubliner Version hat ihr ganz spezifisches Tempo: Die alt-Version für die Schlussarien der Teile 1 und 3 schaffen einen schärferen Kontrast zwischen dem eher zarten Charakter jeder arie und dem jeweiligen Schlusschor. Mit den verschiedenen Streichungen und Kürzungen gegen ende des zweiten Teils entsteht umgekehrt eine größere Dynamik von „How beautiful are the feet“ bis hin zum „Hallelujah“-Chor- satz. Wir haben auch nicht die gliederung jedes Teils in „Szenen“ verges- sen, wie sie im Libretto für die Londoner aufführung von 1743 vorgesehen war. Händel dürfte seine oratorien sehr wahrscheinlich genauso besetzt haben, wie er es bei seinen opern machte. Das Dubliner orchester, von Matthew Dubourg meisterlich geleitet, umfasste nur Streichinstrumente, zwei Trompeten und Pauken, wenn auch die genaue gesamtzahl unbe- kannt ist. nach einem von Burrows entdeckten Brief hatte Händel seine eigene orgel nach Irland transportieren lassen, so dass diese wahrschein- lich bei den Messias-aufführungen verwendet wurde, möglicherweise vom Komponisten selbst (eigens erwähnt wird das für die neue Version von „How beautiful are the feet“); wir vermuten, dass aber auch das Cem- balo öfter eingesetzt wurde. © John Butt (Übersetzung: Christina und Hannsjörg Bergmann, Theresa Henkel) 56 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 Jonathan Sells, Bass Autograph: Messiah, Schlusschor, Worthy is the lamb Autograph: Messiah, Halleluja, Schlusstakte Händel: Porträt, Balthasar Denner, zugeschrieben 1726-1728 Charles Jennens Librettist des Messiah

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