Tage Alter Musik – Programmheft 2017

59 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 seit der Herrschaft von Rudolfs Vater Maximilian darum bemühten, den Monarchen zum dauerhaften Umzug nach Böhmen zu bewegen. adel und Bürgertum waren sich nämlich des positiven effektes vollkommen bewusst, den ein dauerhafter aufenthalt des Herrschers in Prag mit sich bringen würde. Der Kaiserhof initiierte in der Tat bald darauf einen wirt- schaftlichen und kulturellen aufschwung und machte die böhmische Metropole - zumindest für eine gewisse Zeit – zu einem der wichtigsten politischen und künstlerischen Zentren europas. Mit dem kaiserlichen Hofstaat kamen auch seine Musiker nach Prag. Diese hatten in der Hofhierarchie eine feste Position und waren in zwei gruppen aufgeteilt. Die Kapelle im eigentlichen Wortsinn („Capellnparthey“) bil- deten erwachsene und jugendliche Sänger, Kammermusiker, der organist sowie weitere Personen, die bestimmte, mit der Musik im Zusammenhang stehende Funktionen in der kaiserlichen Kapelle ausübten (almosenier, Kaplane, gesangslehrer, notenkopisten, Instrumentenstimmer). Die Trom- peter und Pauker gehörten hingegen zur sogenannten Stallpartei, was mit ihrer ursprünglich militärischen und später repräsentativen Funktion zusammenhing. Während Rudolfs Herrschaft wirkten in der Kapelle zahl- reiche erstklassige Musiker von europäischem Format mit – zur Zeit ihrer größten Blüte hatte sie rund 60 Mitglieder. Viele von ihnen machten dort ihre ersten musikalischen erfahrungen als Knabensänger und waren auch später als erwachsene am Hof tätig. Die Rudolfinische Hofkapelle hatte zahlreiche unterschiedliche Pflichten. neben ihrer repräsentativen Funktion im Rahmen von höfischen Zeremo- nien und Feiern war die Musik während der Liturgie ihre Hauptaufgabe. ImMittelpunkt des heutigen Konzerts steht die achtstimmige Missa „Con- fitebor tibi Domine“ des Rudolfinischen Kapellmeisters Philippe de Monte (1521-1603), des letzten großen Komponisten der franko-flämischen Poly- phonie. geboren im flämischen Mechelen, stand er knapp 40 Jahre in kai- serlichen Diensten. Die Vorlage für seine zweichörige Messe ist eine Motette von orlando di Lasso (1532-1594) aus der Sammlung Thesaurus musicus (nürnberg 1564). als eine von wenigen Messen Montes erschien diese umfangreiche Komposition im Druck in seinem Liber primus Missa- rum (antwerpen 1587) mit einer Widmung für Rudolf II. Das Werk ist dar- über hinaus in weiteren sechs Manuskripten in ganz europa, unter ande- rem auch in den böhmischen Ländern, erhalten geblieben. Philippe de Monte war gleichzeitig ein bedeutender Komponist von italienischen Madrigalen der Spätrenaissance. Seine kompositorische Meisterschaft in diesemweltlichen genre veranschaulichen zwei Werke - das fünfstimmige Madrigal Langu’al vostro languir l’anim mia aus der Sammlung „L’unde- cimo libro delli madrigali a cinque voci“ (Venedig 1586) zu einem Text von giovonni Battista guarini (1538-1612) sowie das siebenstimmige Già fu chi m’hebbe cara aus der Samlung „La fiammetta“ (Venedig 1599), in der der Komponist eine Strophe aus Boccaccios Decamerone vertonte. Ähnlich wie Philippe de Monte verbrachte auch Jacob Regnart (1540/45- 1599) einen großteil seines Lebens an Habsburger Höfen. er wuchs als Chorknabe in der kaiserlichen Kapelle auf und blieb, bis auf ein zweijäh- riges italienisches Intermezzo, den Rest seines Lebens in Habsburger Dien- sten: zunächst als Tenor und ausbilder junger Sänger, später als Vizeka- pellmeister. Seine sechsstimmige „Litania Deiparae Virginis Mariae Virginis“ aus der Sammlung Thesaurus lita- niarum (München 1596) entsprang jedoch einem anderen Milieu, mit dem er in enger Verbindung stand, und deutete nicht in die Richtung des Rudolfinischen Hofes: Die genannte Sammlung mehrstimmi- ger Litaneien erschien nämlich im Druck für den gebrauch jesuitisch- marianischer Sodalitäten. eine die- ser gemeinschaften gab es auch im Prager Klementinum, und zu ihren Mitgliedern zählten neben Jacob Regnart noch weitere Rudolfini- sche Musiker. neben der Vokalmusik spielte am Kaiserhof auch die Instrumental- musik eine wichtige Rolle. Vojtech Semerád Philippe de Monte im Alter von 73 Jahren, Porträt von Raphael Sadeler (1561–1630) Allegorisches Porträt Kaiser Rudolfs II. (von Giuseppe Arcimboldo, 1590)

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