Tage Alter Musik – Programmheft 2017

65 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 Madrid kopiert wurde, und versinnbildlicht die Blüte erotischer Poesie, die in dieser Zeit geschrieben wurde. Diese “endemoniado son” („dämonische Melodie”), wie Cervantes es formulierte, erzählt vom eklektischen geschmack eines Kneipen-Frauenhelden, der bei der Beschreibung seiner Vorlieben im Hinblick auf Körperbau und sexuelle Fertigkeiten kein Blatt vor den Mund nimmt. Die “Seguidillas de la venta” (Kneipen-Seguilladas) gehört zur selben Kategorie: ein durchaus vulgäres Lied über das Feilschen um den Preis für die Dienste eines Mädchens, das – bereits „deshabillé“ – im Dachgeschoss der Kneipe wartet. Das Stück wurde aus einem Madrider Manuskript aus den Jahren nach 1610 kopiert, in dem die ausführenden angewiesen werden, es auf die Melodie von „Hágame una valona“ zu singen, die seinerzeit zwei- felsohne ein großer Hit war. Bei dem Lied, das wir „Jácara de la Trena“ (gefängniszellen-Ballade) genannt haben, handelt es sich um die erste „romance“ über das Leben von Kriminellen, die Quevedo um 1610 verfasste und in der ein Bösewicht namens escarramán einen Brief an seine geliebte, genannt „La Méndez“, im germanía-Slang schreibt, einem Slang, der im gol- denen Zeitalter von Verbrechern gesprochen wurde. In seinem Brief erzählt er von den unglücklichen ereignissen, die ihn hinter gitter gebracht haben, wo er darauf wartet, entweder auf einer galeere oder am galgen zu enden. Der charakteristische, fallende Tetrachord im Bass und die wechselnden Rhythmen eines hemiolenreichen grundmodells sind darin Besonderheiten, die noch Jahrhunderte später in solchem Maße eingesetzt wurden, dass sie heutzutage als typisch für die spanische Musik imallgemeinen gelten. Diverse instrumentale Versionen von Tänzen für gitarre oder Harfe sind in den Sammlungen von gaspar Sanz, Lucas Ruiz de Ribayaz, Francisco gerau und Santiago de Murcia überliefert, die im letzten Viertel des Jahrhunderts gedruckt wurden, mehrere Jahrzehnte nach ihrer Blütezeit. Sie können als die gedruckte Form von Improvisationen auf die für die einzelnen Tänze typi- schen harmonischen Basslinien betrachtet werden. ebenso sind die „impos- sibiles“ und „marionas“ in diesem Programm Improvisationen, die von den uns seit Jahrhunderten überlieferten notierten Versionen inspiriert sind. Die interessante „Passacaglia“ dagegen entstammt dem ältesten erhaltenen spa- nischen Manuskript mit Violinmusik, das sich heutzutage im Besitz der Real academia española befindet, und ist gekennzeichnet durch ihre reiche Chro- matik, zahlreiche Dissonanzen und den melodischen einsatz des verminder- ten Moll-akkords der zweiten Stufe, durch den das Stück eine einzigartige und unerwartete Wirkung erhält. © Álvaro Torrente, übersetzt und überarbeitet von Andrea Braun L A G ALAnÍA Raquel Andueza Sopran & Leitung Alessandro Tampieri Violine David Mayoral Perkussion Manuel vilas Doppelharfe Pierre Pitzl Barockgitarre Jesús Fernández baena Theorbe A USFüHREnDE y O SOy LA L OcURA – M USIK DES 17. J AHRHUnDERTS H EnRy D U b AILLy Yo soy la locura (G. Bataille, 1614) (?-1637) A nOnyM Con esperanzas espero (17. Jahrhundert) (Angello Notari, (1566 - 1663) (Prime Musiche Nuove', London, 1613) A nOnyM Tres niñas me dan enojos (17. Jahrhundert) (Amor incierto) („Scherzi Amorosi“,G. Steffani, Venedig 1622) A LvARO T ORREnTE (Rekonstruktion) Seguidillas de la Venta (*1961) S AnTIAGO D E M URcIA Impossibles / Improvisation (1673-1739) (Codex Saldívar) A nOnyM De mis tormentos y enojos (17. Jahrhundert) (Ojos en mirar dañosos) („Scherzi Amorosi“, G. Steffani, Venedig 1622) J UAn H IDALGO Crédito es de mi decoro (1614-1685) („Pico y Canente“, 1656) L UIS D E b RIcEñO Si queréis que os enrame la puerta (ca. 1610-ca. 1630) („Método Mui Facilissimo“, Paris, 1626) Á LvARO T ORREnTE (Rekonstruktion) Zarabanda del Catálogo G ASPAR S AnZ Marionas (1640-1710) & L UcAS R UIZ D E R IbAyAZ (1626-nach 1676) A nOnyM ¿Quién menoscaba mis bienes? (17. Jahrhundert) (Pruebas de amor incierto) Text: Miguel de Cervantes („Scherzi Amorosi“, G. Steffani, Venedig 1622) J UAn b LAS D E c ASTRO Ya no les pienso pedir (1561-1631) (Text: Calderón de la Barca, 1600 – 1681) („Andrómeda y Perseo“, Madrid 1653) A nOnyM Pasacalle (17. Jahrhundert) (Manuskript RAE) Á LvARO T ORREnTE (Rekonstruktion) Jácara de la trena (Text: Francisco de Quevedo (1580 - 1645)) Konzerteinführung in englischer Sprache: Prof. Dr. Álvaro Torrente, 10.00 Uhr, Vortragsraum im „Haus der Begegnung“ der Universität Regensburg, Hinter der Grieb 8 – Eintritt frei! P ROGRAMM Raquel Andueza CD: Yo soy la Locura Vol. I & II

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=