Tage Alter Musik – Programmheft 2017

71 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 Label Rondeau Production mit höfischer Musik aus Dresden eingespielt. Für eCM spielte sie mit John Holloway eine CDmit Werken von Dowland ein, die 2014 erschienen ist und den ersten Preis bei ICMa 2015 gewann, 2015 folgten aufnahmen der Purcellschen Fantasien, ebenfalls für eCM. Seit gründung der Bach-Stiftung-St. gallen (Herbst 2006), die sich dem großprojekt der einspielung sämtlicher Kantaten J. S. Bachs auf CD & DVD verschrieben hat (Leitung Rudolf Lutz) ist sie deren Konzertmeiste- rin. Im Februar 2014 erschien die CD-einspielung der Matthäuspassion (Studioproduktion) mit ihr als erster Konzertmeisterin. 2016 spielte sie bei denappenzeller Bachtagen mit Rudolf Lutz einen Sonatenabend mit Wer- ken von J.S. Bach. neben einer vielfältigen Konzerttätigkeit unterrichtet Renate Steinmann Violine, Viola und Kammermusik an der Kantonsschule Wettingen (ag) und Barockvioline an der Werkstatt für alte Musik Zürich. Zum Programm: Wie unterschiedlich die Biographien begabter Menschen verlaufen können, lässt sich nicht nur an den tragischen Schicksalen gewisser Dichter oder Maler der Romantik studieren, sondern auch an den recht undramatischen Karrieren dreier Komponisten des deutschen Barock. Wenn auch die Mentalität des späten 19. Jahr- hunderts Johann Sebastian Bach zum verkann- ten genie stilisieren wollte, so hält diese Sicht- weise den Tatsachen keineswegs stand, denn seine Lebensstellung als Leipziger Thomaskan- tor war im gegenteil so prestigeträchtig, dass er zunächst mit georg Philipp Telemann und Christoph graupner um diesen Posten konkur- rieren musste. Was Bach jedoch in der Tat nicht für den von ihm ursprünglich angestrebten Hof- dienst in der Residenzstadt Dresden qualifi- zierte, war seine mangelnde gesellschaftliche Bil- dung. Der „Vollblut-Italiener“ Johann adolf Hasse, der nicht nur bereits Triumphe im Süden gefeiert, sondern auch eine der berühmtesten italienischen Primadonnen seiner epoche geehe- licht hatte, entsprach daher viel eher den wäh- lerischen anforderungen des sächsischen Hofs. Im gegensatz zu Johann David Heinichen hatte Bach nie Italien, im gegensatz zu Telemann nie- mals Frankreich bereist und daher die dortige Kultur und die dortigen Umgangsformen nie persönlich kennengelernt. Zwar hatte Bach erfahrungen an Höfen sammeln können, doch sein musikalischer Stil entwickelte sich trotz aller anlehnung an die gängigen Formen und gattungen der romanischen nationen zu einer völlig eigenständigen und eigensinnigen gelehrsamkeit, die jedweder modischen gefall- sucht und Berechnung auf repräsentative Wir- kung tendenziell abhold war. genau diese geisteshaltung spricht aus der Kan- tate „Ich bin vergnügt mit meinem glücke“ (BWV 84), welche aus Bachs Leipziger Zeit stammt und am 9. Februar 1727 uraufgeführt wurde. Der wahrscheinlich von Picander ver- fasste Text bezieht sich auf das gleichnis von den arbeitern imWeinberg aus Matth. 20, 1–16, und weist darauf hin, dass man größeres glück erlangt, wenn man sich mit seinen Verhältnissen abfindet und zufrieden ist mit dem, was man hat, anstatt andere um ihre vermeintlich bessere Position zu beneiden. Bach hatte jedoch auch den Hofdienst in Weimar kennengelernt, es sich aber wegen seines aufbrausenden Temperaments mit seinem Dienstherrn verdorben und wurde in Ungnade entlassen. Zu seinenaufgaben als Kon- zertmeister gehörte die Komposition von Kirchenkantaten im Vierwo- chenturnus, die er später teilweise in Leipzig wieder aufführte. Der aus der Feder Lehms stammende Text der 1714 geschriebenen Solokantate „Mein Herze schwimmt im Blut“ (BWV 199) reflektiert das gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner aus Lukas 18, 9–14, im Sinne lutherischer Inner- lichkeit und dem Streben nach Demut. Die ausgedehnten Passagen des obligaten Soloinstruments im zweiten und sechsten Satz erinnern an einen weiteren wichtigen aspekt von Bachs Weimarer Zeit. Dort konnte er sich erstmals intensiv mit der Komposition von Instrumen- talmusik beschäftigen und fand darin einen eifrigen Förderer in der Person Miriam Feuersinger Foto: Brigitte Fässler Renate Steinmann, Konzertmeisterin

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