Tage Alter Musik – Programmheft 2017

72 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 des noch sehr jungen Herzogs Johann ernst IV. von Sachsen-Weimar, der von seiner Kavalierstour die neuesten Drucke mit italienischen Konzerten aus dem Verlagszentrumamsterdammitbrachte. Bach transkribierte zahl- reiche Solokonzerte von Vivaldi, Torelli, Marcello und anderen für Cem- balo und orgel, während Johann ernst Violinkonzerte komponierte. Leider starb der amateurkomponist bereits mit 19 Jahren in Frankfurt. Dort amtierte Telemann gerade als Direktor der Kirchenmusik und edierte als letzte ehrenbezeugung sechs Konzerte des Prinzen. Der weltgewandte und erfolgreiche Telemann verstand es eben, sich der gunst bedeutender musikliebender Höfe zu versichern, weshalb noch heute der allergrößte Teil seines oeuvres in den ehemaligen Hofbibliotheken zu Dresden und Darmstadt überliefert ist, wo er niemals angestellt war. aus den Darm- städter Beständen stammen zwei Werke, die die Hauptgattungen der Instrumentalmusik der beiden Modell-Länder Italien und Frankreich repräsentieren. Die orchestersuite in a-Moll (TWV 55:a4) gehört zur gattung der soge- nannten „Französischen ouvertüre“, die als ex novo komponiertes genre fast ausschließlich in Deutschland und Österreich gepflegt wurde, wäh- rend ihre Vorbilder aus demnachbarland zunächst bloße Zusammenstel- lungen bereits bestehender ouvertüren und Instrumentalsätze aus größe- ren Bühnenwerken waren. Das Concerto für Flöte, Violine, Streicher und Basso continuo in e-Moll (TWV 55:e3) steht in der venezianischen Tradition à la Vivaldi und stellt die virtuos behandelten Solisten dem orchester gegenüber. Telemann kannte Vivaldis Konzerte aus Drucken undabschrif- ten, hatte den Komponisten jedoch nie persönlich kennengelernt. Dieses glück war Johann David Heinichen beschieden, der auch die vielleicht interessanteste Biografie der in diesem Programm vertretenen Komponis- ten aufzuweisen hat. nach dem Besuch der Thomasschule, einem juristi- schen Studium und ersten opernerfahrungen in Leipzig wurde er Hofka- pellmeister des Herzogs von Sachsen-Zeitz. Von 1710 bis 1716 lebte Hei- nichen in Italien und konnte mit eigenen opern in Venedig Triumphe feiern, so dass der sächsische Thronfolger während seiner grand Tour auf ihn aufmerksam wurde und ihn für Dresden engagierte. Heinichen kom- ponierte sein Concerto a 7 in g-Dur (Seibel 215/Hwv I:3) in Dresden und folgt darin bis in formale und stilistische Details seinem Vorbild Vivaldi, den er ebenso wie albinoni, Mar- cello und Lotti persönlich kannte. Bei solch einem Können und solch einer ausbildung kann es nicht verwundern, dass der Hof in elb- florenz einen Heinichen und einen Hasse für die höchsten musikali- schen Ämter wählte, während Bach und Telemann ihre Lebens- stellung in den gutbürgerlichen Hanse-, Messe- und Handelsstäd- ten Leipzig und Hamburg fanden. © Nicola Schneider Telemann, Kupferstich von Georg Lichtensteger (um 1745) Johann Sebastian Bach im Jahre 1746, mit Rätselkanon Ölgemälde von Elias Gottlob Haußmann aus dem Jahre 1748 Thomaskirche Leipzig (1749) CD: La Dresda Galante

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