Tage Alter Musik – Programmheft 2017

77 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Juni 2017 sondern lediglich Organist und Director der Musica . obwohl offiziell der alte und kranke Rogier Michael noch Hofkapellmeister war, ist es unwahr- scheinlich, dass er zu der Musik beigetragen hat. Wegen Michaels erkran- kung war nämlich seit 1613 der Wolfenbütteler Kapellmeister Michael Praetorius auch in Dres- den als Hofkapellmeister „von Haus aus“ beschäftigt und weilte für wichtige Veranstal- tungen wie (nur wenige Wochen vor der Refor- mationsfeier) für den Besuch des Heilig Römi- schen Kaisers Matthias regelmäßig in Dresden. Der Kurfürst hätte gern Praetorius auf Dauer verpflichtet, aber dessen Dienstherr Herzog Frie- drich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel war nicht bereit, ihn zu entlassen. anders als Praetorius macht Schütz selten gebrauch von Chorälen; die zwei obengenannten Choralkon- zerte Esaia und ein feste Burg sind ausnahmen. Im Unterschied zu Praetorius schrieb Schütz auch wenig liturgische Musik. Daher ist es wahr- scheinlich, dass die durch von Hoënegg beschriebenen Vertonungen von Kyrie, gloria und Credo, die vermutlich zum Repertoire der Hofkapelle gehörten, Praetorius zuzuschreiben sind. Kyrie, Christe, Kyrie & c. Gloria in excelsis Deo ... alles auff 5 Chor deutet auf Praetorius’ Missa;gantz Teudsch: Glory sey Gott etc. cum Sin- foniis . Praetorius hatte die Messe ursprünglich für seine Sammlung Polyhymnia Jubilea – Werke, die alle für das Jubiläums- jahr geschrieben wurden – vorgesehen, aber später in seine große Samm- lung von Choralkonzerten Polyhymnia Caduceatrix aufgenommen. aus die- ser Sammlung stammt wahrscheinlich auch Das Silber durchs Feuer sieben mal/ aus dem deutschen Gesang Ach Gott vom Himmel & c. Praetorius schrieb, dieses Stück könne auch als Instrumentalcanzone aufgeführt werden. Dar- über hinaus ist anzunehmen, dass Praetorius’ beeindruckendes Credo Wir gleuben all an einen Gott zumindest einmal wäh- rend der Festlichkeiten erklang. obwohl alle diese Kompositionen von Praeto- rius choralgebunden sind, gelingt es ihm, bemerkenswert ausdrucksvolle Musik zu kreie- ren; besonders erwähnenswert ist die bewe- gende Stille im Credo vor den Worten „am Kreuz gestorben“. Für Praetorius – manchmal deswegen Creuzbergensis statt Creuzburgensis (nach seinem geburtsort Creuzburg) genannt – waren diese Worte der Mittelpunkt seines eige- nen glaubens. Selbst seine einfache achtstim- mige Komposition Christe Du Lamm Gottes wird zu einem ausdrucksstarken Werk von großer Schönheit, indem über mehrere Sequenzen Spannung aufgebaut wird, die dann ein plötz- licher Moment der Stille vor „erbarm dich“ effekt-voll unterbricht. Instrumente spielen sowohl bei Schütz als auch bei Praetorius eine große Rolle. Schütz verwen- det die Instrumentalkapellen „zum starken gethön und zur Pracht“, aber auch, um den ambitus der Vokalstimmen in der Höhe durch Zinken oder Violinen und in der Tiefe durch Posaunen zu erweitern. Dass Schütz den reinen ätherischen Klang der Blockflöten wählt, um den Textinhalt „Heilig ist gott“ zu betonen, ist ein Sonderfall. Die Instrumen- talstimmen werden sonst stets textiert, damit sie die Musik in gleicher Michael Praetorius Heinrich Schütz Einweihung der Dreieinigkeitskirche am 5. Dezember 1631

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