Tage Alter Musik – Programmheft 2018

14 T age a LTer M uSIK r egenSBurg Mai 2018 denen europäischen Höfe; so eine Karriere war die perfekte Tarnung für vertraulichen politischen und diplomatischen austausch. eine anzahl von Briefen sind erhalten, die zeigen, dass alamire als Spion für Heinrich VIII. tätig war gegen richard de la Pole, Herzog von Suffolk und letztes Mitglied des Hauses York, der offen den englischen Thron für sich beanspruchte. Pole lebte im exil und erhielt bei seinem erfolglosen Vorhaben, die englische Krone für ein Mitglied des Hauses York zurückzuerlangen, von König Lud- wig XII. von Frankreich unterstützung. Im März 1515 schrieb alamire an Heinrich VIII., dass seine Musikerfreunde Pole bespitzelt hätten, und schickte ihm, vermutlich, um gunst und Interesse zu wecken, eine „exzel- lente“ Komposition für fünf Stimmen sowie sechs kleine Stimmbücher mit Musik von alexander agricola, ein Manicordium con pedale (vermutlich eine sehr frühe Form eines Klavichords mit Pedalen) und dreizehn Krumm- hörner. anfang 1516 hielt sich richard de la Pole in Metz auf. als er dort von ala- mire und anderen in seiner angelegenheit besucht wurde, regte sich auf Seiten der engländer der Verdacht, dass alamire für Poles Lage Sympathie entwickelt haben könnte und zur gegenseite übergelaufen sei. In seinem letzten Brief an den erzbischof von Canterbury und Lordkanzler Thomas Wolsey aus dem Jahre 1517 gestandalamire, darum bemüht, sein renom- mee zu wahren, aber es scheint, dass das Vertrauen in ihn geschwunden war. alamire sollte nie wieder nach england zurückkehren. Im selben Brief drückte alamire sein Bedauern darüber aus, dass er kein entgelt, nicht einmal Dank für eine Menge von musikalischen geschenken für Heinrich VIII. erhalten habe, darunter fünf Musikbücher, acht Kornette, eine große Lieferung von Lautensaiten und – besonders interessant – ein herrliches Pergamentmanuskript. nicht weniger als vier Handschriften aus demalamire-Skriptorium enthalten Heinrichs Wappen, aber nur eine von ihnen scheint jemals für england bestimmt gewesen zu sein. Daher ist es äußerst wahrscheinlich, dass das „herrliche Pergamentmanuskript“, das Heinrich VIII. irgendwann in den Jahren 1516 bis 1517 geschickt wurde, wirklich das royal 8.g.vii ist. Die erste Lage des Buchs enthält Werke, die die geburt von Kindern herbeiflehen. Die ersten beiden Motet- ten – Celeste beneficium von Mouton und Adiutorium nostrum von Févin, die gemeinsam im Jahre 1514 veröffentlicht worden waren – waren ursprünglich für Ludwig XII. von Frankreich und anne de Bretagne kom- poniert und hier für das englische Paar abgeändert worden. anne de Bre- tagne hatte keinen männlichen erben geboren und als sie im Januar 1514 starb, heiratete Ludwig XII. im folgenden oktober Mary Tudor, die Schwester von Heinrich VIII., doch bereits weniger als drei Monate später starb er selbst. es scheint daher Sinn zu machen, dass das Chorbuch ursprünglich für Ludwig und anne gedacht war. nach Ludwigs Tod wandelte alamire die Widmung für Heinrich VIII. und Katharina von aragon um, die wie Ludwig undanne bemüht waren, einen männlichen erben zu zeugen. Somit war das Hauptthema der Musik hervorragend geeignet; und da alamire daran gelegen war, hoch in Hein- richs gunst zu stehen, war dieser der geeignete empfänger für ein so ver- schwenderisch ausgestattetes Manuskript. Vielleicht hatte auch Mary Tudor ihren einfluss geltend gemacht. Im übrigen war die umwidmung einfach: in Adiutorium nostrum wurden die namen Anna, Renate (Fürsprecherin für die, die sich Kinder, vor allem Söhne, wünschen) und Ludovicus ausgetauscht gegen Katharina, Georgi (Schutzpatron von england) und Henricus . Das Deckblatt des Buches wurde mit wundervoll ausgeführten Illustrationen der Waffen von Hein- rich VIII., mit Hosenbandorden samt Motto, gestützt von einem Drachen und einemWindhund, sowie einer roten und weißen Tudorrose und einem granatapfel, dem Symbol von Katharina von aragon, geschmückt; andere Bilder zeigen ein Fallgitter, das Symbol Heinrichs VIII., und die Tudorrose, kombiniert mit dem granatapfel. Wahrlich ein aufwendiges, königliches geschenk, wenn auch aus zweiter Hand. ein weiterer interessanter aspekt ist die einbeziehung des Mottos des Hosenbandordens „Honi soit qui mal y pense“ von Clement Morel, den dieser dem earl of arundel, d.h. Henry Fitzalan, gewidmet hatte, der 1544 zum ritter vom Hosenbandorden geschlagen wurde. eben dieser earl überwachte die Säkularisierung der Stiftskapelle seiner Familie auf arun- del Castle. Das Motto wird auch in dem Katalog erwähnt, in dem die Bestände des anwesens und der Bibliothek von John Lord Lumley, dem Schwiegersohn des letzten earl of arundel und erben der Fitzalan-Biblio- thek, zusammengefasst wurden, aber das Chorbuch selbst wird nicht auf- geführt. Motto und Chorbuch scheinen somit kurz vor 1757 zusammen- gekommen zu sein, als georg II. die royal Library dem neugegründeten British Museum überließ. In der Zeit davor war der Bestand der royal Library, einschließlich der Sammlung von Lord Lumley, zusammen mit anderen Sammlungen vorübergehend im ashbournham House unterge- bracht, konnte aber vor dem Feuer im Jahre 1731 gerettet werden, das dort so viele andere wertvolle Bände vernichtet hat. royal 8.g.vii hat seither The English Cornett & Sackbut Ensemble

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=