Tage Alter Musik – Programmheft 2018

26 T age a LTer M uSIK r egenSBurg Mai 2018 gänge in poetischer Form umschreibt. um den Bezug zwischen Wort und Musik unmissverständlich festzuschreiben, stellte Vivaldi die Sonette in der gedruckten ausgabe in geschlossener Form dem jeweiligen Konzert voran und verteilte seine Dichtung zusätzlich noch zeilenweise über die noten. Ihrer äußeren Struktur nach folgen die „Jahreszeiten“-Konzerte dem üblichen Modell. Dabei kommt der „ritornellform“ eine programm- tragende Funktion zu: Die in den schnellen ecksätzen wiederkehrenden orchesterritornelle geben die grundstimmung der jeweiligen Jahreszeit wieder (z.B. „Der Frühling ist gekommen“), während das Soloinstrument mit seinen episoden zuge- hörige einzelbilder darstellt (z. B. Vogelgesang). So steht im Mittelpunkt des „Frühlings“ die blühende natur, die vom gesang der Vögel und von „tanzenden nymphen und Schäfern“ freudig begrüßt wird. Der Mittelsatz stellt das Bild eines „beim lieblichen Säuseln der Blätter und gräser“ schla- fenden Hirten dar. Der „Sommer“ zeichnet zunächst das Bild glühender Hitze, unter der Mensch und Tier zu leiden haben. Lediglich Kuckuck und Distelfink erhe- ben ihre Stimme. Dann aber zieht ein mächtiges unwetter auf, das sich mit Blitz und Donner entlädt und dabei „das Haupt der Ähren und des hohen getreides“ bricht. Der „Herbst“ ist von der ernte und der Jagd bestimmt. Da an den Kon- zerten keine Bläser mitwirken, lässt Vivaldi den Klang des Jagdhorns kurz- erhand von der Violine imitieren. Den Schluss des Konzerts markiert das (für die Jäger) erfolgreiche ende der Jagd: „Schon verängstigt und matt vom großen Lärm der Flinten und Hunde droht Verwundung. Von der Flucht erschöpft, aber auch besiegt verendet das Wild.“ Das vierte und letzte Konzert des Jahreszeiten-Zyklus widmet sich dem „Winter“ mit seiner schlotternden Kälte. Vivaldi musikalisiert das „Zäh- neklappern“ und das bedächtige Laufen über Schnee und eis „aus Furcht vorm Fallen“. und dennoch ist der Schluss versöhnlich: „So ist der Winter. Doch – welche Freude bringt er.“ Der Streit im Walde „Der Streit imWalde“ ist eine allegorische Märchenidylle über einen Konflikt und seine Lösung. Dabei wechselt in Form eines Maskenspiels die Musik von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, die von den Mitgliedern des european union Baroque orchestra live aufgeführt wird, mit Szenen, die von Mario- netten gespielt werden und die Handlung der Vivaldi-Sonette illustrieren. Musik und Puppenspiel sind durch einen auf Deutsch gesprochenen Text verbunden, in den gelegentlich andere Sprachen eingestreut werden, die bestimmte Bäume charakterisieren (der ahorn ist italienisch, die Birke ist russisch ...). Die Szenen und Bilder werden von den Marionetten dargestellt, darunter Bäume, Tiere, Pflanzen, eine Schäferin, ein Jäger und - während jedes musikalischen Zwischenspiels - ein wirklich liebenswerter Hund. Handlung: es ist Frühling und die Bäume und Tiere (Vögel, Schmetterlinge ...) des Bayerischen Waldes erwachen aus ihremWinterschlaf. Doch heuer ist ein ganz besonderer Tag: der eintausendste geburtstag der eiche, zu dessen Feier sich die anderen Bäume des Waldes versammeln. als dann der Sommer herannaht (Hirsch, Hase, Sturm, Schäferin, Schaf ...)‚ beginnen die Bäume jedoch zu streiten und sich zu beklagen: es sei zu heiß, zu tro- cken, zu windig. Der Herbst bringt den Beginn der Jagdsaison und dann kehrt der Winter zurück, es beginnt zu schneien und alle fallen wieder in Winterschlaf. Im Jahr darauf geht der Wortstreit der Bäume erneut los: Ich bin schöner als du, ich bin stärker als du. Der Zank führt in eine Sackgasse und zu allgemeiner Verstimmung, und dann beschließt jede Baumart, allein weiterzumachen und weigert sich, mit den anderen zusammenzu- arbeiten oder auch nur zu reden. ein schlechter einfall! ein Sturm kommt auf: Winde, Hagelschauer und Blitze fangen an, die getrennten Pflanzun- gen zu zerschmettern. ohne gegenseitige Hilfe und Schutz kommt es zu Verwüstung und elend. einige Jahre vergehen, und schließlich beginnt ein neuer Wald heranzuwachsen: mit einer eiche, die neben einer Birke sprießt, daneben eine Fichte und so weiter. allmählich wird die ordnung wieder hergestellt (Krokusse, Bienen, Schmetterlinge ...) – zu einer Wieder- holung des eröffnungssatzes von „Frühling“. Übersetzung: Dr. Hannsjörg Bergmann Das EUBO und Rachel Podger 2016 in St. Emmeram Foto: Hanno Meier CD EUBO Vivaldi vier Jahreszeiten Favoletta-Puppen: Jäger und Schäferin

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