Tage Alter Musik – Programmheft 2018

35 T age a LTer M uSIK r egenSBurg Mai 2018 BWV 230, deren älteste bekannte Quelle ein Druck aus dem Jahr 1821 ist. Stilistische und qualitative Vorbehalte ließen in den letzten Jahren Zweifel an Bachs autorschaft an dem Werk aufkommen, das dem Text nach auch als möglicher Bestandteil einer verloren gegangenen Kantate zum epiph- anias-Fest diskutiert wird. Bei der Trauermotette „o Jesu Christ, mein’s Lebens Licht“ BWV 118 liegt dagegen eine gesicherte originalkomposition Bachs vor, die dieser durch Bearbeitung der Instrumentation eigens den unterschiedlichsten auffüh- rungsbedingungen anpasste. Wegen der obligat besetzten Instrumente wird das Werk, das Bach selbst als „Motetto“ bezeichnete, zuweilen auch den Kantaten zugeordnet. Die erste Version von ca. 1736/37 verlangt neben dem vierstimmigen Vokalensemble zwei Litui, ein Cornetto und drei Posaunen, wobei bis heute nicht eindeutig geklärt ist, welches Blasinstru- ment mit Lituo gemeint ist. Möglicherweise handelt es sich um ein Horn oder eine Trompete. Die Sänger musizieren also mit einem Bläserensemble, mit demman sich frei bewegen konnte; hieran knüpft sich die Vermutung, dass die Motette im Freien bei einer Trauerprozession oder am grab auf- geführt wurde. etwa zehn Jahre später um 1746/47 instrumentierte Bach das Werk in einer eigenbearbeitung um, die für einen Kirchenraum geeig- net ist. Zu den Litui treten nun Streicher und eine Continuo-gruppe sowie ad libitum oboen und ein Fagott, wogegen die klangkräftigen Posaunen wegfallen. Dass die beliebte arie „Bist Du bei mir“ BWV 508, die aufnahme in das 2. Clavierbüchlein der anna Magdalena Bach gefunden hatte, nicht von Bach, sondern aus der 1718 in Bayreuth uraufgeführten und heute ver- schollenen oper „Diomedes oder Die triumphierende unschuld“ von gott- fried Heinrich Stölzel (1690–1749) stammt, ist erst seit ende der 1950er- Jahre bekannt. Sie ist ein schöner Verweis auf das offenbar lebhafte Inter- esse der Familie Bach am zeitgenössischen opernschaffen. Wenn auch Bach in dem Konzert meist nur in feinen Spuren vernehmbar wird, so rundet sich hier doch ein faszinierendes Bild von einem Musiker, der das Schaffen seiner Kollegen in europa stets intensiv in den Blick nahm. © Michael Wackerbauer, UR Robin Peter Müller, Violine & Leitung Foto: Martin Förster Francesco Conti: Languet anima mea, Titelseite © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-archiv

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