Tage Alter Musik – Programmheft 2018

39 T age a LTer M uSIK r egenSBurg Mai 2018 zum Programm: Alonso Lobo: Versa est in luctum Lobo wurde 1555 in osuna, einer kleinen Stadt 80 Kilometer östlich von Sevilla, geboren. nach seiner ausbildung in osuna und Sevilla wurde er in osuna Priester, bevor er 1591 eine Stelle an der Kathedrale von Sevilla antrat. Für acht Jahre übernahm er eine anstellung in Toledo, kehrte aber nach Sevilla zurück, um den rest seines Lebens dort als Musikdirektor zu verbringen. Lobos Leben könnte vielleicht weniger kosmopolitisch erscheinen als das von Tomàs Luis de Victoria und er genoss sicherlich nicht königliche Patronage wie dieser, noch lebte er imDienste der Schwes- ter des Königs, von Luxus umgeben, in einem königlichen Kloster in Madrid. Soweit wir wissen, hat er sich nie außerhalb Spaniens aufgehalten. Während Lobo und Victoria wenigstens miteinander korrespondierten, wurde Lobo, der am entlegensten ende der Welt im Süden Spaniens hän- gengeblieben war, von anderen Zeitgenossen – anders als wir es vielleicht heute tun – wohl nie zu den erstrangigen Musikern gerechnet. Lobos Versa est in luctum entstand – wie der größte Teil seiner erhaltenen Werke - wahrscheinlich während seines aufenthalts in Toledo, vielleicht schon bevor Victoria sein sechsstimmiges requiem geschrieben hat. und während die emotionale Kraft in Lobos Werk offensichtlich ist, zeigen sich auch große stilistische unterschiede zu Victorias requiem: chromatischer, gewagter, extrovertierter. Kann es sein, dass der einfluss des großen Palestrina, den Victoria in Italien kennengelernt hatte, so groß war, dass Lobo, der nur sieben Jahre jünger war als Victoria, schon eine neue Welle musikalischen experimentierens repräsentierte, die Victoria verpasst hatte oder scheute? Veranlasste seine randexistenz Lobo dazu, einen neuen Stil zu wagen, umaufmerksamkeit zu erzielen? Fühlte sich Lobo überhaupt an den rand gedrängt oder war er glücklich, sein Leben in Südspanien zu verbringen, fernab vom ram- penlicht? © Greg Skidmore tomás Luis de Victoria: Responsorien und Lamentationen Tomás Luis de Victoria (avila 1548 – Madrid 1611) verließ seine spanische Heimat 1565 im alter von 17 Jahren, um in rom zu studieren. er sollte dort über 20 Jahre lang bleiben und viele seiner bedeutendsten Werke ver- öffentlichen, einschließlich seines monumentalen Officium Hebdomadae sanctae im Jahre 1585. als Thomé, wie er sich selbst nannte, in der ewigen Stadt ankam, war der musikalische Star dort zweifellos Palaestrina (1525 – 1594), der damals zunächst unter anderemMaestro de Capilla an Santa Maria Maggiore war und ab 1571 an der Juliankapelle im Petersdom diente. Victoria studierte, anfänglich durch ein Stipendium von Philipp II. von Spanien unterstützt, am Deutschen Seminar, das wenige Jahre vorher durch Ignatius von Loy- ola gegründet worden war. Seine erste wichtige Funktion war die des Maestro de Capilla am römischen Seminar in der nachfolge von Palaes- trina. als seine ersten Kompositionen wird 1572 eine Sammlung von Motetten erwähnt. Im Jahre 1573 wurde er zusätzlich zum Maestro de Capilla am Deutschen Seminar berufen und im Jahr darauf erfolgte seine Priester- weihe. Der Sammlung von 1572 folgte im Jahre 1576 das erste Buch mit Messen und anderen Motetten, marianischen antiphonen und Magnificats. Zwei weitere Publikationen erschienen 1581, eine mit Motetten für das liturgi- sche Jahr, die andere mit Magnifikats und marianischen antiphonen. 1583 veröffentliche er ein zweites Buch mit Messen und eine neue anthologie mit Motetten – nicht alle waren neu, denn Victorias scharfer geschäftssinn hatte bereits früh die Möglichkeiten von „best-of“-Sammlungen erfasst. Im Jahre 1585 erschien eine weitere Motettensammlung, einige davon bereits in der dritten auflage, sowie die Sammlung von Musik für die Kar- woche. Dieses Officium Hebdomadae Sanctae enthält 37 Werke mit Musik für Palm- sonntag bis ostersamstag mit responsorien für gründonnerstag, Karfrei- tag und Karsamstag, den Klageliedern des Jeremias, dem Psalm Miserere mei und dem Benedictus des Zacharias für die gottesdienste an diesen Tagen sowie einer Matthäus- und einer Johannespassion, des weiteren Hymnen, Motetten, Improperien und weitere Werke für die Karwoche. einige davon dürften wohl schon wesentlich früher entstanden sein. Das Werk Tenebrae (Finsternis, Todesnacht) ist in Wirklichkeit die Kombi- nation von zwei Messen, nämlich der Morgen- Matutin und der Laudes. Später wurden diese zusammen am vorausgehenden abend nach der Komplet aufgeführt, d. h. die Tenebrae für gründonnerstag bereits amMitt- woch, in rom üblicherweise um 16.00 uhr. Das Hauptmerkmal dieser Messe, daher auch der name, ist das stufenweise Löschen von 15 Kerzen auf einem dreieckigen Leuchter. Diese Kerzen symbolisieren Jesus, die oberste auf der Spitze des Dreiecks, mit den zwölf Jüngern außer Judas Ischariot und den drei Frauen, die das grab aufsuchten und in den ver- schiedenen Überlieferungen unterschiedliche namen tragen. Tenebrae ist für die drei Kartage eingeteilt in die Matutin mit jeweils drei nocturnos zu je drei Psalmen, einen kurzen Versikel mit responsorium, ein stilles Pater noster und eine Lectio (Lesung) . Darauf folgen unmittel- bar die Laudes, bestehend aus fünf Psalmen, einem kurzen Versikel mit responsorium, dem Benedictus, demgraduale Christus factus est, dem Mise- rere mei ( Psalm 50) und einem Schlußgebet. Die Lesungen des ersten nocturnos jedes Tages stammen aus dem Buch der Klagelieder, die von Victoria vertont wurden, für die responsorien dazu gibt es jedoch keine Vertonungen. Die Lesungen des jeweils zweiten nocturnos sind den Kommentaren des heiligen augustinus entnommen und die des dritten den Briefen des heiligen Paulus. Sie waren nicht poly- phon gesetzt (jedoch gibt es einen polyphonen Satz von dem portugiesi- schen Komponisten Manuel Cardoso) und wurden vermutlich auf einem einfachen rezitativton gesungen. Victoria hat aber die responsorien durch- komponiert, die jeder dieser Lectiones folgen. Die Texte der responsorien folgen der Passionsgeschichte und vermischen Verse aus den evangelien mit späteren Texten, vermutlich aus dem vierten Jahrhundert, die das kollektive Leiden kommentieren. Für gründonners- Nigel Short Foto: Chris o’Donovan

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