Tage Alter Musik – Programmheft 2018

43 T age a LTer M uSIK r egenSBurg Mai 2018 erinnern, dass Victoria selbst die Stellung als Kaplan von Maria als „ruhe- stands“- Position betrachtete? War für Victoria diese seine letzte Veröffent- lichung der gipfel seines Lebenswerkes, oder versuchte er, die erfolgreiche aber immer noch ausbaufähige Beziehung zu seinem spanischen Drucker weiterzuführen? Spielt es eine rolle, dass Victoria 1604, ein Jahr nach Marias Tod, die Stelle als Musikdirektor für die des organisten aufgegeben hat und die letzten sieben Jahre seines Lebens mit weniger Verantwortung ver- brachte? Jeder Versuch, große Kunstwerke in einen Zusammenhang zu bringen, läuft auf Fragen wie diese hinaus. Dennoch dürfen wir als moderne Inter- preten und Musikliebhaber nicht vergessen, dass wir zwangsläufig mit den praktischen Konsequenzen aus dieser fragmentarischen Historie kon- frontiert werden. Wenn wir irgenwie imstande wären, im Jahre 1609 in Madrid mit den nonnen auf den Knien zu liegen und ihre Beziehungen zueinander zu fühlen, ihr Leben zu leben, ihrem Weltverständnis nach- zuspüren, würden wir diese Musik dann für kraftvoller und schöner hal- ten? Bedeutet die Tatsache, dass wir über das Musikschaffen von Victoria mehr wissen als über das von Lobo, dass sie uns stärker berührt, kraftvoller ist oder „bessere“ Kunst? Der springende Punkt ist: Haben wir so wenig Vertrauen in die ehrfurcht und das Staunen vor dieser Musik, dass wir versuchen müssen, stellvertretend die emotionen und das Verständnis unserer künstlerischen Vorfahren zu erfahren? Die aufführung dieser Musik durch das Tenebrae Consort versucht, die Kraft und die Schönheit, die unter der oberfläche der historischen umstände verborgen liegen, auszudrücken und zu zeigen, was Kunst- werke in ihrer Zeitlosigkeit zu wahrlich wundervollen Meisterwerken macht. energie, Hingabe, Leidenschaft und Präzision der aufführung ent- sprechen dieser Musik von außerordentlicher Qualität. Das ergebnis ist eine lebhafte Manifestation dessen, was Lobo und Victoria – wie alle Musi- ker und Interpreten – wollen: ein ausdruck von unerklärlicher Schönheit. © Greg Skidmore Übersetzung: Christina Bergmann D AS GoLDene z eItALter S PAnIenS – t oMáS L UIS De V ICtorIA r eSPonSorIen UnD L AMentAtIonen zUM K ArSAMStAG M ISSA Pro DeFUnCtIS – r eqUIeM 1603 ( VeröFFentLICHt 1605) A LonSo L obo Versa est in luctum (1555-1617) t oMáS L UIS De V ICtorIA amicus meus osculi me tradidit (1548-1611) signo Judas mercator pessimus o vos omnes Sepulto Domino Incipit oratio Jeremiae Prophetae Missa pro defunctis: requiem 1603 - Lectio: Taedet anima mea - Introitus: requiem aeternam - Kyrie eleison – Christe eleison – Kyrie eleison - graduale: requiem aeternam - offertorium: Domine, Jesu Christe - Sanctus & Benedictus - agnus Dei - Communio: Lux aeterna - Motette: Versa est in luctum - responsorium: Libera me, Domine - Kyrie eleison – Christe eleison – Kyrie eleison P roGrAMM t enebrAe C onSort natalie Clifton-Griffith, bethany Partridge, Katie trethewey, emma Walshe Sopran Hannah Cooke, eleanor Minney Alt tom robson, David de Winter Tenor Jimmy Holliday, Stephen Kennedy Bass A USFüHrenDe CD Tenebrae Vittoria Responsorien CD Tenebrae Vittoria Requiem Tiburtina Ensemble 2016 in der Schottenkirche Foto: Hanno Meier

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