Tage Alter Musik – Programmheft 2018

45 T age a LTer M uSIK r egenSBurg Mai 2018 Die gebürtige Bernerin Meret Lüthi leitet als Konzertmeisterin das von ihr im Jahr 2008 mitbegründete orchester für alte Musik „Les Passions de l’ame“; zudemwar sie, in derselben Position, dem belgischen ensemble „B’rock“ verbunden und spielte als gast im Freiburger Barockorchester. Meret Lüthi unterrichtete als gastdozentin an der Musikhochschule in antwerpen. Sie wirkte bei CD- und opernproduktionen sowie Konzert- tourneen, rundfunk- und Fernsehaufnahmen mit, u.a. unter rené Jacobs, Ivor Bolton, adam Fischer und gary Cooper. Intensiv widmet sie sich auch der Kammermusik: Mit verschiedenen Programmen präsentierte sie sich beim Festival „Young artists in Concert“ in Davos. Im Sommer 2010 gab sie ihr Debüt beim Lucerne Festival. Meret Lüthi absolvierte ihre Violinausbildung an der Hochschule der Kün- ste ihrer Heimatstadt Bern bei Monika urbaniak-Lisik und eva Zurbrügg und erlangte ihr Lehr- und Konzertdiplom mit auszeichnung. Parallel dazu studierte sie als Mitglied des amaryllis-Quartetts bei Walter Levin; mit einemaufbaustudium in der Klasse vonanton Steck an der Staatlichen Musikhochschule Trossingen spezialisierte sie sich auf das Spiel der Barockvioline. außerdem nahm sie an Meisterkursen von Igor ozim, Christianaltenburger, Thomas Brandis, Ingolf Turban und gerhard Schulz teil. 2007 ging sie als Preisträgerin aus dem Deutschen Hochschulwettbe- werb für alte Musik hervor. als gefragte Spezialistin für alte Musik arbei- tet Meret Lüthi als orchestercoach und ist regelmäßig bei radio SrF 2 Kultur als Fachexpertin zu gast. als Dozentin für Barockvioline und His- torische aufführungspraxis arbeitet sie an der Hochschule der Künste Bern. 2017 wurde sie für ihr langjähriges und herausragendes musikali- sches Wirken mit dem Musikpreis des Kantons Bern geehrt. zum Programm: es dürfte ungefähr 1669 gewesen sein, als Heinrich Ignaz Franz Biber aus dem Dienst des olmützer Bischofs Karl II. von Liechtenstein-Kastelkorn in Kremsier „desertierte“. Dieses für Musiker der Zeit nicht seltene Vorge- hen war sicher kein unproblematisches. Bei Karl II. hatte er ca. 1665 seine erste anstellung als Kammermusicus und -diener angenommen. ein Brief an Karl II. legt nahe, dass Biber auf seiner reise dem geigenbauer Jakobus Stainer begegnete. Dieser beschreibt ihn 1670 in einem Brief an Karl II. über die anschaffung von Instrumenten für Kremsier jedenfalls als „vortreff- lichen Virtuos“, ein urteil, das er aus persönlicher erfahrung gewonnen haben müsste. Wir treffen Biber 1670 wieder in Salzburg als Vizekapell- meister des Salzburger erzbischofs Max gandolph graf von Kuenburg. Das mit der Flucht in Kauf genommene risiko hatte sich gelohnt: Vom Kammerdiener des Bischofs stieg er zum Vizekapellmeister und später sogar Kapellmeister des erzbischofs auf. anerkennung und ehrungen bis hin zum adelsprädikat sollten folgen. Man kann sich gut vorstellen, wie die beiden musikpassionierten geistlichen um herausragende Musiker buhlten wie heutige Multimilliardäre um Fußballspieler. Zum glück nahm es Karl II. sportlich und versöhnte sich kurz darauf mit dem Violinisten. Fest steht, dass die steile Karriere des damals 25-jährigenausnahmegeigers mit einer abenteuerlichen Flucht begann. Diese führte vom böhmischen Kremsier nach Salzburg; irgendwann dazwischen ist ein abstecher sehr wahrscheinlich, bei dem es zum Treffen mit Stainer gekommen sein könnte. nicht nur Biber, sondern auch Stainer hatte mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Just zur Zeit der Flucht Bibers begann die Kirchenbehörde Stainer mit Verdächtigungen zu behelligen. angeklagt wurde er wegen des Besitzes verbotener Bücher. am Vorabend der auf- klärung deuteten die falschen Bücher auf einen Freigeist oder sogar auf einen Ketzer hin. Zudem war der vielgereiste und umtriebige Tiroler als geigenbauer nördlich der alpen überregional, ja sogar international erfolg- reich. Sein handwerkliches Können überragte jedoch sein unternehmeri- sches Talent bei weitem. Misswirtschaft und die repressalien durch die obrigkeit verdunkelten seine existenz zusehends. Spinnt man also die Szene einer Begegnung mit Biber ende 1669 weiter, so könnte man sich vorstellen, wie der Violinist und der geigenbauer mitten in einer privaten und beruflichen Krise zusammenkamen und ihr Missgeschick durch gei- genspiel vergaßen, übertönten, vielleicht auch zum ausdruck brachten. Bibers Partiensammlung Harmonia Artificiosa Ariosa wurde 1712 posthum publiziert und stellt nicht nur einen wichtigen Meilenstein der geigerischen ausdruckskraft und Technik dar, sondern auch ein Mittel zur erkundung der Scordatura im Bereich der ensemblemusik. Hierauf verweist der untertitel der Sammlung: diversimode accordata . einzig die Partia VI ist herkömmlich gestimmt. Seine ästhetische absicht verrät er im Titel: Von dem lateinischen artficium, Handwerk, Kunstwerk Sabine Stoffer, Violine Foto: ribalta Luce Studio Meret Lüthi, Violine Foto: guillaume Perret

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