Tage Alter Musik – Programmheft 2018

47 T age a LTer M uSIK r egenSBurg Mai 2018 abgeleitet bedeutet artficiosus kunstfertig, meisterhaft im Sinne des tech- nisch außerordentlich aufwändigen. Biber fordert die zwei gleichberech- tigten geigenstimmen regelrecht dazu auf, sich spielerisch auszutoben. Tonleitern undarpeggien, Spielfiguren und ornamente prägen über weite Strecken den Satz. Überbordend wie ein Feuerwerk schießen Klangwolken in den raum, die sich keinem kontrapunktischen, melodischen oder for- malen rahmen unterordnen, sondern für sich selbst stehen, für das glanz- volle, Verschwenderische und exorbitante. ausgleichend wirken die ario- sen Sätze. Biber stellt jedoch das artificios -Instrumentale und das arios- Vokale nicht als zwei voneinander getrennte Kompositionsprinzipien gegenüber. er zwingt sie dazu, in einen Dialog zu treten. In einer Serie von 13 Variationen schöpft Biber in Partia VI aus einer geschmeidigen Melodie verschiedene Möglichkeiten der instrumentalen ausgestaltung. Die Melodie wird exponiert, umspielt, kontrapunktisch und harmonisch verarbeitet und dergestalt immer wieder neu inszeniert. Das Versuchslabor, in dem sich diese experimentierfreude entfaltet, ist nicht die weiße Fläche des Papiers, sondern der vom Instrument gestaltete Klangraum, letztlich das Instrument selbst, seine Spielweise und sein Klang. Während sich Biber in der Harmonia die zu jener Zeit bereits ent- funktionalisierte Suite bzw. Partia zunutze machte, kennen er selbst und seine Kollegen Johann Heinrich Schmelzer und Johann Joseph Fux auch andere Methoden, um dem Instrument unerwartetes zu entlocken: jene besondere Würze nämlich, die diese Werke von den konventionellen gat- tungen ihrer Zeit unterscheidet. Das Instrument soll in die Lage versetzt werden, geschichten aus dem Leben und der natur zu erzählen. Dazu werden seine mimetischen Fähigkeiten ausgelotet, es wird zum Sprechen gebracht, es versucht sich im nachahmen, sei es der Klänge der natur, der Musik anderer Kulturen, des Soundtracks historischer ereignisse oder realer Kontexte. Das augenmerk liegt nicht auf der Klangschönheit; es soll ausdrucksvoll, anschaulich, spektakulär und im weitesten Sinne plastisch klingen. Man soll sich beim Hören exotische, auffällige oder lustige Begebenheiten vor- stellen können. © Cristina Urchueguía b Iber PUr – H ArMonIA A rtIFICIoSA A rIoSA (1712) H eInrICH I GnAz F rAnz b Iber (1644-1704) Partia V g-Moll (Scordatura beider Violinen: g, d’, a’, d“) Intrada: Alla breve – Aria: Adagio – Balletto: Presto – Gigue – Passacaglia: (Adagio) – Allegro – Adagio Partia VI D-Dur (Beide Violinen in Normalstimmung) Praeludium: Adagio – Allegro – Aria mit Variatio I–XIII – Finale: Adagio – Allegro Partia I d-Moll (Scordatura beider Violinen: a, e’, a’, d“) Sonata: Adagio – Presto – Adagio – Allamande – Gigue mit Variatio I & II – Aria – Sarabande mit Variatio I & II – Finale Partia III a-Dur (Scordatura beider Violinen: a, e’ a’, e“) Praeludium: Allegro – Allamande – Amener: Presto – Balletto – Gigue – Ciacona: Canon in unisono Die beiden Geigerinnen Meret Lüthi und Sabine Stoffer spielen die vier Partien auf je vier verschiedenen Violin-Paaren. Folgende Geigenbauer der diesjährigen Instrumentenausstellung der Tage Alter Musik haben dankenswerterweise für dieses Konzert Instrumente zur Verfügung gestellt: Sebastian Mende (zwei Violinen), Veronika Dreysse und Carsten Hoffmann (je eine Violine), Ekkard Seidl (zwei Violinen) sowie Andreas Irniger und Micha D. Sennhauser (je eine Violine). Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente, Detmar Hungerberg, 42499 Hückeswagen, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. Wir danken der Meisterwerkstätte für Orgel- und Cembalobau, Walter Chinaglia, I-22072 Cermenate (CO), für die freundliche Bereitstellung der Truhenorgel. P roGrAMM L eS P ASSIonS De L ’A Me Meret Lüthi Violine & Leitung Sabine Stoffer Violine rebecca rosen Violoncello Matthias Müller Violone, Lira da gamba Ieva Saliete Cembalo, Orgel Vincent Flückiger Laute A USFüHrenDe CD Les Passions de l'Ame Spicy CD Les Passions de l’Ame Schabernack Heinrich Ignaz Franz Biber

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