Tage Alter Musik – Programmheft 2018

58 T age a LTer M uSIK r egenSBurg Mai 2018 er in Salzburg den Violinvirtuosen und Komponisten Heinrich Ignaz Biber, danach unterbreitete er seine Kompositionen in rom dem Meister des concerto, arcangelo Corelli. Wir hören heute Werke von Muffat, die aus der 1701 in Passau erschiene- nen Sammlung „Auserlesene mit Ernst und Lust gemengte Instrumental- Musik” stammen. Die Stücke der Sammlung kann man als deutsch-öster- reichische orchestersonaten oder als italienisches concerto grosso inter- pretieren; sie basieren auf einem von Muffat schon früher in rom kom- ponierten Werk namens „armonico Tributo“, das er später ausweitete und veränderte. Die etwas merkwürdigen lateinischen Titel der Stücke bezie- hen sich nicht auf die Musik, sondern wohl auf aktuelle ereignisse am Hof. Imallgemeinen geht man davon aus, dass Corelli Muffat zu dessen concerti inspiriert hat, aber im Licht neuester Forschung stellt sich die Frage, ob nicht umgekehrt Corelli derjenige war, der vom weltgewandten Muffat neue Ideen übernahm. Der ursprung des concerto grosso ist keineswegs eindeutig. Corelli ist es zu verdanken, dass sich diese musikalische Form etabliert hat, aber er hat das concerto nicht „erfunden“. Muffat hatte ver- mutlich bereits in Paris Musik gehört, die auf demWechsel zwischen Soli und Tutti basierte. In den Konzerten dieser Sammlung kombiniert Muffat konkret Italieni- sches und Französisches, indem er italienischen Sonaten französische Tänze folgen lässt - genau wie es zwanzig Jahre später auch François Cou- perin in seiner Serie „Les nations“ tat. ImWechsel von reiner Sonate und Tanzmusik wie auch im Vermischen der Tradition von Kirchen- und Kam- mersonate mit höfischer Musik zeigt sich der Bund von ernst und Heiter- keit. Jean-Marie Leclair, ein Komponist, der außerdem zu den bedeutendsten geigern der französischen Musikgeschichte zählt und den man auch den „Vivaldi Frankreichs“ nannte, bemühte sich ebenfalls um eine umfassende italienisch-französische Synthese. Während seiner Besuche in amsterdam und den Haag lernte er den revolutionären geiger und Komponisten Pie- tro Locatelli kennen, der ihn zweifellos inspirierte. Leclair entwickelte die französische geigenmusik weiter und hinterließ viele Violinsonaten und -konzerte, in denen er meisterhaft die französische mit der italienischen Tradition verknüpfte. Leclair ist in erster Linier für seine Instrumentalmusik bekannt, er hat aber auch eine wichtige oper geschrieben, Scylla et Glaucus (1746). Sie wurde in der königlichen Musikakademie aufgeführt, wo üblicherweise haupt- sächlich opernneuheiten geboten wurden, welche anlässlich der Kriegs- erfolge des Königs und der Hochzeit des Kronprinzen die französische Monarchie priesen. In der elitären gesellschaft von Jean-Philippe rameau und Jean-Baptiste Lully wurde Leclairs tragischer oper kaum aufmerk- samkeit zuteil, aber die Partitur verdient dennoch höchstes Lob: Leclair, der ursprünglich Tanz und Schauspiel studiert hatte, konnte in ihr sein Das Sixth Floor Orchestra (heute Finnish Baroque Orchestra) 2003 in der St.-Oswald-Kirche Foto: Hanno Meier Gedenktafel für Georg Muffat am Residenzgebäude (Salzburg)

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