Tage Alter Musik – Programmheft 2018

71 T age a LTer M uSIK r egenSBurg Mai 2018 Sein jüngstes Projekt ist die gründung des ensembles ausonia zusammen mit dem Cembalisten Frédérick Haas und der geigerin Mira glodeanu. 2017 veröffentlichte das Label Hitasura eine sehr bemerkenswerte einspie- lung Bachscher Violin- und Cembalokonzerte. zum Programm: Im barocken Zeitalter galt den affekten ein besonderes Interesse. Philo- sophen haben versucht, sie zu analysieren und zu kataIogisieren – maß- geblich war hier zweifellos rené Descartes‘ Les passions de l’âme (1649). Maler und Bildhauer haben sie ebenfalls intensiv studiert und in Bilder gefasst, wovon etwa Charles Le Bruns hochdifferenzierte galerie von gesichtsausdrücken, die jeweils eine andere gemütsbewegung zeigen, ein beredtes Zeugnis ablegt. auch Intellektuelle konversierten und Schriftstel- ler schrieben ausführlich über sie. Im Zuge dieser entwicklung trafen sich im Pariser Salon der adeligen Catherine de Vivonne, marquise de rambouillet (1588–1665), gebildete Damen und kultivierten die sog. Preziosität oder affektiertheit. Diesen erlesenen Kreis frequentierte auch Madeleine de Scudéry (1607–1701), autorin eines zehnbändigen romans Clélie, histoire romaine (1654– 1660) – ein Paradebeispiel für den Typus des galanten romans –, der die Liebe als zentrales Thema hat. Im ersten Teil befindet sich eine François Chauveau zugeschriebene gravur, die auf höchst originelle Weise das erzählte visualisiert: die „carte de Tendre“ (vgl. die abbildung unten) ist nichts weniger als eine „Vermessung der Liebe“. In dieser allegorischen geographie, deren Dörfer und Städte nach Tugenden und Lastern benannt sind, führen mehrere Wege zur Liebe. Während der „See der gleichgül- tigkeit“ und das gefährliche Meer, in dem die Leidenschaften wohnen, vom wahren Ziel ablenken und somit zu meiden sind, fließt der Fluss der gegenseitigen Zuneigung wie eine aurea mediocritas in der Mitte der „Land- karte der zärtlichen empfindungen“. auch die damaligen Komponisten haben sich mit der Liebe in all ihren Facetten und Schattierungen auseinandergesetzt. In der gattung des air de cour, die zwischen etwa 1570 und 1660 gepflegt wurde und in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erlebte, fanden sie dazu das ideale ausdrucksmedium. unter diesem Begriff versteht man ein weltliches strophisches Lied, das meistens an Höfen und in Salons auf- geführt wurde. Komponiert wurden diese Lieder entweder für vier oder fünf Stimmen a cappella oder für eine Stimme mit instrumentaler (meistens Lauten-) Begleitung; viele Quellen bieten aber auch beide Möglichkeiten an. James Munro, Violone La Carte de tendre

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