Tage Alter Musik – Programmheft 2018

77 T age a LTer M uSIK r egenSBurg Mai 2018 Der Mittelteil dieses Konzerts bildet eine Parenthese und widmet sich der geistlichen, aber paraliturgischen Musik. Die Lauda - eine gattung devo- tionaler Lobgesänge - war seit dem vorangegangenen Jahrhundert in Flo- renz beheimatet. Bruderschaften gläubiger, aber nicht-klerikaler Floren- tiner, genannt Laudesi, schlossen sich zusammen und gewannen zuneh- mend kulturellen und politischen einfluss. Der den Laudesi eigene zele- brative ritus war stark ausgeprägt und darauf ausgerichtet, einen Zustand der Hypnose zu erreichen. Die Lauda spielte in diesem Prozess bei der Suche nach einem Zustand spiritueller erhöhung eine entscheidende rolle. Während Peccatrice nominata ein einstimmiges Lied ist, das für die Zwecke der Laudesi komponiert wurde und in einer Sammlung solcher Monodien - einem Laudario - zu finden ist, ist Creata fusti o vergine Maria ein Beispiel für einen Vorgang, der sich contrafactum (Kontrafaktur) oder cantasi come nennt: ein existierendes Stück (in diesem Falle ein weltliches) wurde dabei mit einem neuen Text versehen. Im Fall von Creata fusti und seiner Vorlage, der Ballata Questa fanciulla amor , finden sich neben der gemeinsamen Musik noch weitere Parallelen im Vokabular, in den reimwörtern und der Struktur des Textes. So werden Musik, poetischer Text und das Ver- hältnis der beiden neu ausgedeutet. Die beiden Vertonungen des Benedicamus Domino zeigen, wie unterschied- lich geistliche Musik in dieser Zeit klingen konnte: Paolo da Firenze demonstriert, wie durch die ausreizung des Kontrapunkts an den grenzen der Kompositionsregeln seiner Zeit ein ungewöhnlicher einsatz von Dis- sonanzen einen fesselnden Klang erzeugen kann. andererseits erinnert die folgende, anonyme Version an Tanzmusik und verbindet gregoriani- schen Choral mit einer agilen, in Mustern sich wiederholenden Stimme. Im letztenabschnitt des Konzertes wenden wir uns den Werken von weni- ger bekannten, aber doch in ihrer Zeit sehr wichtigen Komponisten wie giovanni da Firenze und Vincenzo da rimini zu. Sie sind repräsentanten des hochverzierten, agilen Vokalstils, der in Italien zu der Zeit üblich war. Diese Virtuosität zeigt sich nicht nur in den Melodien, sondern auch in den Texten: giovannis allegorien in Quando la stella stehen Vincenzos anti- ken, mythologischen Vorbildern in Ay schonsolato in nichts nach. Zuletzt repräsentiert A poste messe hier das genre der Caccia, bei der meis- tens zwei - hier sogar drei - Stimmen sich in einem langen, durchgehenden Kanon “jagen”. Die Jagd bleibt jedoch nicht nur eine bildlich-komposito- rische, sondern wird meist auch im Text thematisiert. absolut typisch sind dafür die onomatopoetischen ausdeutungen, hier des Hundegebells und der Klänge der Jagdhörner. In diesem Konzert malen wir ein musikalisches Panorama der Klänge des spätmittelalterlichen Florenz, wobei wir natürlich nur die „Spitze des eis- berges“ berühren. © Anna Danilevskaia S oLLAzzo e nSeMbLe Perrine Devillers Sopran Andrew Hallock Countertenor Vivien Simon Tenor Sophia Danilevskaia Fidel roger Helou Organetto Franziska Fleischanderl Salterio Anna Danilevskaia Fidel & künstlerische Leitung A USFüHrenDe CD Sollazzo Ensemble Parle Qui Veut CD Sollazzo Ensemble En Seumeillant New York Polyphony 2015 in der Minoritenkirche Foto: Hanno Maier F Lorenz UM 1350 – M USIK zUr b LütezeIt DeS H UMAnISMUS P AoLo DA F Irenze godi Firençe (ca.1355- nach 1436) D onAto DA F Irenze Come ‘l potes’ tu far (instrumental) (ca. 1350-1370) F rAnCeSCo DeGLI o rGAnI „L AnDInI “ Conviens’ a fede (ca. 1325-1397) P AoLo DA F Irenze Donna, perchè mi veggi F rAnCeSCo DeGLI o rGAnI „L AnDInI “ o fanciulla giulia A nonyM Peccatrice nominata F rAnCeSCo DeGLI o rGAnI „L AnDInI “ Creata fusti o vergine Maria (auf die Melodie von „Questa fanciulla, Amor“) P AoLo DA F Irenze Benedicamus domino A nonyM Benedicamus domino A nonyM Poi che veder non posso (instrumental) G IoVAnnI DA F Irenze „ DA C ASCIA “ Quando la stella (um 1340-50) V InCenzo DA r IMInI ay schonsolato (2. Hälfte des 14. Jhs.) L orenzo DA F Irenze a poste messe († um 1372) P roGrAMM

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