Tage Alter Musik – Programmheft 2018

als grundlage, unterzieht sie aber umfassenden Änderungen. gründe für Mendelssohns abwendung vom original sind vor allem darin zu suchen, dass er sich von präexistenten Melodievorgaben lösen wollte, um so seinen Werken die authentische musikalische ausdeutung des religiösen Inhalts verleihen zu können, wie er seinem Lehrer Carl Friedrich Zelter in einem Brief vom 16. oktober 1830 mitteilte. Zum einen ersetzt Mendelssohn für Verleih uns Frieden gnädiglich die äolisch-modale durch eine tonale Dur- Harmonik, zum anderen besinnt er sich darauf, die Textzeilen mit einem aufwärts gerichteten Intervallsprung zu beginnen, um dann schrittweise wieder abzusteigen. So setzt Mendelssohn die gestik des Betens mit einer „erhebenden Hinwendung“ und dem anschließenden „demutsvollen niedersinken“ musikalisch um. Beide Begriffe gehen zurück auf die Ästhe- tik des Theologen Friedrich Schleiermacher, die Mendelssohn bei der Kom- position dieses „kleinen Liedes“, wie er es manchmal selbst bezeichnete, vermutlich berücksichtigte. Das Werk lässt sich in fünf abschnitte gliedern. Zuvorderst findet sich eine instrumentale einleitung, deren letzte Takte mit den Violoncelli im weiteren Verlauf als „ritornell“ die anderen Teile verknüpft. auffallend ist hier die äußerst warme Tonfärbung, die durch die tiefsten Instrumen- tengruppen des orchesterapparats, also Fagotte, Violoncelli, Kontrabass und orgel, mit einem orgelpunkt über a sinnfällig gemacht wird. Diese kantablen ersten Takte halten sich gewissermaßen so nah an der Vokalität auf, dass hier sogar von einem „Lied ohne Worte“ gesprochen werden kann. Darauf folgt eine Solopassage für die Bässe, in die schließlich auch der alt einstimmt. In diesemMoment weiten sich erstmals das Klangfar- benspektrum und der Tonraum erheblich, da mit demalt zusätzlich die hohen Holzbläser zum Instrumentarium hinzutreten. nach diesemDuett von alt und Bass steigert sich der orchesterapparat hin zum vierstimmi- gen „Choral“. Hierin sieht ulrich Wüster die Idee des Friedens auskom- poniert, die „als Verschmelzung von Individuum und gesellschaft ihren höchsten ausdruck in der religiös geeinten gemeinschaft“ findet und stellvertretend für eine universale Kirche steht. nach der einzigen Stelle im forte („der für uns könnte streiten“) kehrt die Musik wieder ins piano und pianissimo zurück, wodurch noch einmal das bereits erwähnte „demutsvolle niedersinken“ musikalisch umgesetzt wird – dieses Mal nicht nur in der Melodie, sondern auch bezüglich der Disposition des Werkes. robert Schumann behielt leider nicht recht mit seiner damaligen Pro- phezeiung: „Das kleine Stück verdient eine Weltberühmtheit und wird sie in der Zukunft erlangen“. Denn obwohl es sogar zur eröffnung eines gewandhauskonzerts eine Woche nach Mendelssohns Tod am 11. november 1847 aufgeführt wurde und auch eine gewisse Beliebtheit erlangte, wurde es nie zu einer „Weltberühmtheit“. am anderen ende dieser musikalischen „nahrungskette“ finden wir Men- delssohns Lobgesang op. 52 wieder, den er anlässlich des 400. Jubiläums des Buchdrucks mit beweglichen Lettern komponierte und der bereits 9 T age a LTer M uSIK r egenSBurg Mai 2018 Regensburger Domspatzen und Concerto Köln 2013 in der Basilika St. Emmeram Foto: Hanno Meier

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