Tage Alter Musik – Programmheft 2019

Sanctis ist von Beginn an ein ausbruch an energie. Byrds Technik, ein Motiv durch veränderte Wiederholungen der Phrasen zu entwickeln, ist immer wieder in seinen Werken zu entdecken – zum Beispiel bei „Jerusa- lem desolata est“ (in Civitas sancti tui ) und bei „omnibus dico“ (in Vigilate ). eine dritte Vertonung des Miserere stammt von Byrds Zeitgenossen und „gentleman of the Chapel Royal“, Thomas Tallis. Das heutige abendpro- gramm enthält lediglich eines seiner Werke, aber was für eines! Tallis’ Miserere nostri Deus ist ein Juwel, das im Repertoire etabliert ist und in den Cantiones Sacrae von 1575 publiziert wurde. es ist ein bemerkenswert raffi- nierter Kanon, der der europäischen Tradition komplexer Kanonkompo- sition folgt. Die beiden höchsten Stimmen sind in kanonischem Unisono geführt und lediglich durch eine Zählzeit voneinander getrennt. Vier wei- tere Stimmen sind an dieser technischen glanzleistung beteiligt. Der Dis- kant und der Kontratenor singen die gleiche Melodie auf der gleichen Ton- höhe, jedoch sind die noten des Kontratenors viermal so lang. Die beiden Bassstimmen sind auch im kanonischen Unisono mit dem Diskant geschrieben und mit der anmerkung „per arsin et thesin“ versehen, was bedeutet, dass für jedes aufsteigende Intervall im Tenor die Bässe ein absteigendes Intervall zu singen haben und umgekehrt. Im Bass I sind die noten achtmal so lang wie imDiskant, und im Bass II sind die notenwerte verdoppelt. all das wird von einer freien Stimme umspielt! ganz anders als der großteil der alten Musik, die wir heute abend prä- sentieren, ist die zeitgenössische Chormusik, die das ensemble oRa Sin- gers ebenso im Programm führt. Das engagement der Sängerinnen und Sänger hatte zur Folge, dass zahlreiche hervorragende Werke für die gruppe geschrieben wurden, welche oftmals die Musik eines vergangenen Zeitalters verarbeiten. ganz in diesem Sinne präsentieren wir als neues oRa-auftragswerk und als Welturaufführung ein Stück des deutschen Komponisten Wolfgang Buchenberg, welches eine Reflexion über Tallis’ Miserere darstellt. abschließend präsentieren wir eine der großartigsten Bearbeitungen unserer Zeit, die den gleichen Text verwendet, mit demwir unser Programm eröffnet haben: das Miserere , dieses Mal von dem zeit- genössischen schottischen Komponisten Sir James MacMillan (geb. 1959). Wie allegris Vertonung zu Beginn des Konzerts ist der gregorianische Choral die grundlage für MacMillans Werk, jedoch erzeugt er eine Klang- welt, die sich sehr stark von der seines Vorgängers unterscheidet. es repräsentiert eine zeitgenössische, aber nicht weniger berührende Refle- xion über die Psalmworte als Herzstück des heutigen nachtkonzerts. © David Clegg, Sally Dunkley und Ben Byram Wigfield Übersetzung: Isa Fallenbacher, UR 18 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Konzert 2 CD: ORA Singers – Desires – A Song of Songs collection CD: ORA Singers – The Mystery of Christmas CD: ORA Singers – Refuge from the flame CD: ORA Singers – Many are the wonders William Byrd (ca. 1539/40 – 1623) Gregorio Allegri (ca. 1582 – 1652)

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=