Tage Alter Musik – Programmheft 2019

21 T age a LTeR M USIK R egenSBURg Konzert 2 ihrem Beruf behaupten zu können. Das Musikerleben in großbritannien ist hart. aber die Musiker sind dadurch nicht schlechter geworden. Als Präsident des Chors fungiert bei Ihnen der Schriftsteller und Schau- spieler Stephen Fry. Warum gerade er? Stephen Fry ist ein guter Freund. Und er liebt die Musik. als autor und auch als Schauspieler ist er in großbritannien überaus populär. noch bekannter geworden ist er durch seine Tätigkeit als Moderator einer Comedy-Quizsendung namens „QI“, für die er diverse Preise gewonnen hat. Ich denke, Stephen kann uns helfen, neues Publikum anzuziehen. naiv gefragt: Warum ist das nötig? Unser Problem besteht darin, dass unser Publikum zwar sehr passioniert ist und uns überallhin folgt. Doch wir alle sind „choral nerds“, wenn ich mich so ausdrücken darf. Chor-Freaks! Und nun wollen wir eben ein paar neue Freaks hinzuwerben. Gehen Sie dafür im niveau herunter? nicht, wenn wir Stephen Fry haben! er hat sogar schon mal eine TV-Sen- dereihe über Richard Wagner präsentiert. grundsätzlich gilt: niemals die Hosen runterlassen, um das niveau zu heben! Ihr Chor ist gelegentlich als „musikalischer Komet“ beschrieben wor- den. Was soll das bedeuten? ein Journalist hat uns einmal als Kometen im Sinne eines fliegenden Sterns beschrieben. er meinte damit hoffentlich, dass wir aufsteigen. nicht, dass wir vom Himmel stürzen. Ich glaube fest daran, dass solche Vergleiche selbst dann, wenn man keine guten astronomischen grundkenntnisse hat, glück bringen. Sie haben sich vorgenommen, 100 Auftragswerke von 100 Komponisten zu bekommen. Wie weit sind Sie? Wir sind noch zu jung, als dass wir dieses Ziel schon hätten erreichen kön- nen. Ungefähr 40 auftragskompositionen haben wir. Jeder auftrag besteht darin, einem bestimmten Renaissance-Stück ein neues Werk gegenüber- zustellen – wie immer der Komponist diese aufgabe lösen möchte. Das Schöne ist, dass die Werke der Renaissance oft fast so unbekannt sind wie die Werke, die zur Uraufführung kommen. ... von meist britischen Komponisten? Ich würde auch bei Wolfgang Rihm gern etwas bestellen. gelegentlich sind wir auch schon auf Jazz-Komponisten zugegangen. John Williams und etliche amerikanische Komponisten, da ich viel in Los angeles arbeite, möchte ich gleichfalls gern gewinnen. Ich führe eine Short-List mit etwa 30 Wunschnamen. Dann eine zweite, etwas längere Short-List. Und eine Long-List. es gibt einfach zu viele Komponisten auf der Welt. Von welchem Komponisten würden Sie nicht nur eines, sondern auch ein zweites Werk haben wollen? Von James MacMillan. er hat uns eines der besten Werke geschrieben, die ich kenne. Und von Roderick Williams. Wenn man zwischen renaissance und Gegenwart abwechselt, kann es passieren, dass sich der Hörer in der zeit vertut – und für Gegenwart hält, was in Wirklichkeit in der renaissance geschrieben wurde. Pein- lich? nein, durchaus nicht. Ich halte es im gegenteil geradezu für ein Kompli- ment. es zeigt, dass gute Musik immer zeitlos bleibt. Das glaube ich wirk- lich. Wenn jemand Renaissance-Musik hört, als sei es ein neues Stück, empfinde ich das sogar als den Idealfall. Späte Beethoven-Streichquartette sind schließlich auch so gut, dass sie noch immer klingen wie am ersten Tag. etwa nicht? Was ist der Grund dafür, dass atonale Musik, wenn sie durch einen Chor gesungen wird, leichter „ins ohr geht“ als dies bei orchesterstücken der Fall ist? Zum einen der Text! Man geht vom Inhalt aus, nicht von der Form. Zum anderen die Kürze der Stücke. Bei opern, die viel weniger vom Text, son- dern stattdessen mehr von einer Handlung ausgehen, liegt der Fall kom- plizierter. Ihre Konzerte in London finden in „LSo St. Lukes“ statt, einem sehr schönen Kirchenraum, der sonst vom London Symphony orchestra genutzt wird. Wie ist die Akustik? ein wenig trocken. Man braucht sehr gute Sänger, und wir haben ja gute Sänger. Vielleicht wünschte man sich gelegentlich eine etwas „feuchtere“, also halligere akustik, aber wir können das durch Projektion wettmachen. Stattdessen schaut die natur in diesem Saal ganz herrlich gleichsam zum Fenster herein. akustisch ideal sind die drei Kirchen, in denen wir unsere aufnahmen machen: St alban‘s Church Holborn, all Hallows’ gospel oak und St augustine’s Kilburn. entscheidend ist, dass man für beide Reper- toires, die wir singen, nicht zwei verschiedene Säle benötigt. Für Ihr Album „Many are the Wonders“ haben Sie soeben den „opus Klassik“ als „Chor-ensemble des Jahres“ gewonnen. Kennt den Preis – oder seinen Vorgänger, den „eCHo Klassik“ – irgendein Mensch in Großbritannien? Das möchte ich bezweifeln. Der Preis hat sich noch nicht bis zu uns her- umgesprochen. Macht doch nichts! Wir sagen einfach, er ist der beste. Stimmt das nicht? Suzi Digby Foto: oRa Singers Suzi Digby & ORA Singers im Tower of London Foto: andreas grieger

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=