Tage Alter Musik – Programmheft 2020

19 T age a LTeR M uSIK R egenSBuRg Konzert 4 er hat zahlreiche uraufführungen dirigiert, von denen viele von Rundfunk und TV aufgezeich- net und ausgestrahlt wurden. zum Programm: Ludwig van beethoven: Die Klavierkonzerte nr. 3 c-Moll op. 37 und nr. 5 es-Dur op. 73 obwohl Ludwig van Beethoven sich in allen musikalischen gattungen hervorgetan hat, steht außer Zweifel, dass das Klavier für ihn – einer der besten Pianisten seiner Zeit und ein genialer Improvisator – das ideale gebiet für musikali- sche erkundungen war. auch wenn er nahezu bis in seine letzten Lebensjahre für Klavier solo komponierte, zwang ihn seine Taubheit zum Rückzug von der Bühne, und sein Interesse am Klavierkonzert nahm ab. Dennoch gelang es Beethoven mit nur fünf Konzerten über einen Zeitraum von zwanzig Jahren nicht nur, das Klavierkonzert der Klassik auf glänzende Weise zu vollenden, sondern auch ein neues Modell zu eta- blieren: das romantische Konzert, eine art Symphonie mit obligatem Kla- vier, das im Laufe des 19. und noch anfang des 20. Jahrhunderts die maß- gebliche Referenz sein sollte. Zwar existiert das Konzert für Tasteninstrument – zuerst Cembalo, dann Klavier – seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, aber erst Mozart führte es zu absoluter Vollkommenheit. Über die formale Meisterschaft hinaus entwickelte er eine neue Dynamik zwischen Solist und orchester, bei der im Zentrum einer wahren dramatischen Handlung ohne Worte ein instru- mentaler Dialog zwischen den Protagonisten entsteht - „etwas ähnliches mit der Tragödie der Alten [ ... ], wo der Schauspieler seine Empfindungen nicht gegen das Parterre, sondern gegen den Chor äußerte, und dieser hingegen auf das genau- este mit in die Handlung verflochten und zugleich berechtiget war, an dem Aus- drucke der Empfindungen Antheil zu haben” (Heinrich Christoph Koch, Ver- such einer Anleitung zur Composition, 1793 ). als Beethoven sich seinerseits mit der Konzertform beschäftigte, griff er zunächst auf Mozarts Modell zurück. (Übrigens hat Beethoven über die fünf „offiziellen“ Konzerte hinaus vor seiner endgültigen Übersiedlung nach Wien 1792 noch mindestens zwei weitere Klavierkonzerte kompo- niert, von denen uns eines – das Konzert in es-Dur Woo 4 – in Form des Klavierparts und einer Reduktion des orchestertuttis für Klavier überlie- fert ist. es gab verschiedene Rekonstruktionsversuche, darunter einen von Ronald Brautigam, der 2008 veröffentlicht wurde.) nach seinen ersten beiden Konzerten op. 15 und op.19, die noch immer eng an die Vorbilder seiner berühmten Vorgänger Haydn und Mozart anknüpfen, markiert das Konzert nr.3 in c-moll op. 37 einen Bruch und einen tiefgreifenden stilistischen Wandel. Seine entstehungsgeschichte ist lang: 1796 begonnen, wurde es erst 1803 vollen- det – ein Zeitgenosse mithin der Krise von 1802, die sich ebenso im Heiligenstädter Testament wie in der revolutionären „eroica“-Symphonie niederschlug. Die emotionale Dimension hat nun größere Bedeutung erlangt, und man kann die in dieser Zeit komponierten Werke durchaus als den Beginn der Romantik in der Musik betrachten. Das Konzert nr. 3 steht – eine Sel- tenheit bis dato – in einer Molltonart. Mehr noch: es steht in der ungestüm-heroischen Ton- art c-moll, der des Trauermarsches der Dritten Symphonie, der „Pathetique“-Sonate op. 13 und der Fünften Symphonie. Man nimmt an, dass Mozarts Klavierkonzerte in d-moll KV 466 und c-moll KV 491, die Beethoven besonders schätzte und mit denen sein Konzert bestimmte eigen- schaften teilt, als Muster gedient haben könnten. Bei der uraufführung imapril 1803 im Theater an der Wien war, wie gewohnt, Beethoven der Solist. Der umblätterer wird später berichten, dass zum Zeitpunkt der Proben große Teile der Klavierstimme leer waren, weil Beethoven zu wenig Zeit gehabt hatte: „Beim Vortrage seiner Concert-Sätze lud er mich ein, ihm umzuwenden; aber – hilf Himmel! – das war leichter gesagt als gethan; ich erblickte fast lauter leere Blätter; höch- stens auf einer oder der anderen Seite ein paar, nur Ronald Brautigam Foto: Marco Borggreve Michael Alexander Willens Ronald Brautigam spielt im Konzert auf einem Hammerflügel-Nachbau von Paul McNulty des Graf-Opus 318 aus dem Jahre 1819 aus dem Schloß Kozel bei Pilsen.

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