Tage Alter Musik – Programmheft 2020

20 T age a LTeR M uSIK R egenSBuRg Konzert 4 ihm zum erinnernden Leitfaden dienende, mir rein unverständliche egyptische Hieroglyphen hingekrit- zelt; denn er spielte beinahe die ganze Prinzipal- Stimme blos aus dem Gedächtniß, da ihm, wie fast gewöhnlich der Fall eintrat, die Zeit zu kurz ward, solche vollständig zu Papiere zu bringen.“ nach- dem Beethoven der Veröffentlichung seiner ersten beiden Konzerte zugestimmt hatte, auch ohne mit ihnen ganz zufrieden zu sein, lagen die Dinge nun offenbar anders: Beethoven war mit dem Dritten Klavierkonzert so zufrieden, dass er die Drucklegung verzögerte, um sich das exklusive Privileg vorzubehalten, damit bis 1804 auf der Konzertbühne zu glänzen. Hatte er nicht 1801 an seinen Verleger geschrieben: „Es erfordert die musikalische Politik die besten Conzerte eine Zeit- lang bei sich zu behalten“? Von diesem Werk an spürt man Beethovens emanzipation von Mozarts Modell: er befreit sich von der Verpflichtung, mit einer brillanten Musik zu gefallen, und präsentiert einen neuen Konzerttypus, der die traditionellen Rollen von Solist und orchester in Frage stellt und die Solo/Tutti-Dualität hinter sich lässt. Darüber hin- aus erhält die Virtuosität noch mehr gewicht, ohne jedoch vommusikalischen Inhalt abzulen- ken oder die Rolle des orchesters zu schmälern. Der Klaviersatz, der das Instrument an seine grenzen treibt, zeugt von diesem neuen ansatz, der einige begeisterte Kommentatoren zu der Vermutung veranlasste, Beethoven komponiere für das Klavier der Zukunft. Die Wahl des Instruments für das heutige Konzert in Regens- burg spiegelt diese entwicklung wider. Ronald Brautigam hat sich für einen Hammerflügel des Klavierbauers Paul Mcnulty entschieden: er wählte die Kopie eines Instruments von Conrad graf aus dem Jahr 1819 mit sechseinhalb okta- ven und einem „una corda“-Pedal. Die robuste- ren und klangvolleren Klaviere von graf waren nunmehr als einzige in der Lage, der energie und Intensität von Beethovens neuen Werken gerecht zu werden. Der Komposition des fünften Konzerts widmete er sich wohl in dem Wissen, dass nicht er der Solist sein würde. Doch was für ein Konzert! Das 5. Konzert in es-Dur (eine Tonart mit besonderer Strahlkraft bei Beethoven: die der „eroica“-Sym- phonie) ist heute eines der berühmtesten der gesamten Konzertliteratur. nebenbei sei ange- merkt, dass der im englischen Sprachraum gebräuchliche Beiname „The emperor“ (,‚Der Kaiser“) nicht von Beethoven, sondern von dem Pianisten und Verleger Johann Baptist Cramer, einem Freund des Komponisten, stammt. nach einer Verbindung mit napoleon zu suchen (den Beethoven, wie wir wissen, verachtet hat), wäre müßig, eher handelt es sich hier um eine anspie- lung auf den „kaiserlichen“ Charakter des Kon- zerts. napoleon spielte jedoch eine andere Rolle Conrad Graf, (1782-1851), der ab 1824 den Titel „k. k. Hofpiano- und Claviermacher“ führte, wurde in Riedlingen (Württemberg) geboren und kam 1799 als Tischler nach Wien. Dort wurde er Klavier- bauer und eröffnete 1804 seine eigene Werk- statt. Schnell wurden seine Instrumente als die „besten und bekanntesten in Wien und im Kaiserreich“ berühmt. Graf lieferte nicht nur Instrumente in alle Räume des kaiserlichen Hofes, sondern fertigte 1825 auch ein Ham- merklavier für Ludwig van Beethoven. Chopin, Robert und Clara Schumann, Liszt und Mendelssohn schätzten die Klaviere Grafs.

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=