Tage Alter Musik – Programmheft 2020

27 T age a LTeR M uSIK R egenSBuRg Konzert 4 naja, es gibt zwar schon auch einige mit historischen Instrumenten, aber in den Kritiken wurde doch immer betont, dass unsere die erste mit zwei verschiedenen Clavieren ist. Das ist der eine Punkt. und der andere ist, dass Ronald die Stücke vorher mit andrew Parrott mit einem modernen orchester eingespielt hatte: das ist sehr gut, auch stilistisch –, aber nun gibt es doch eine neue notenausgabe der Stücke, von Henley. Da ist zwar nicht sehr viel verändert, aber ein paar Sachen sind doch anders geworden, in der artikulation, der Dynamik und so. und unsere ist nun die erste aufnahme, die diese Fassung verwendet. Das sind nun natürlich keine besonders durchschlagenden gründe, denn Sie haben recht: es gibt schon viele aufnahmen. aber wirklich nicht so viele in historischer aufführungs- praxis und mit entsprechenden Instrumenten. und dazu kommt natürlich noch, dass nun das Beethoven-Jubiläumsjahr ansteht, und da wollte unser Label das gerne auch machen. Da habe ich mich natürlich sehr gefreut, denn ich liebe diese Stücke seit meiner Kind- heit, und so habe ich diese Möglichkeit gerne genutzt. Und es sind auch nicht so viele, wie von Mozart, das heißt, man ist nicht jahrelang beschäftigt! genau! Für Mozart hatten wir damals fünf Jahre gebraucht… ach ja, und dann kommen noch alle Klavierkonzerte von Carl Maria von Weber, die haben wir auch schon aufgenommen, und die werden im Som- mer erscheinen. Davon gibt es bislang noch überhaupt keine aufnahme auf historischen Instrumenten. ebenso übrigens wie die Klavierkonzerte von Mendelssohn, die jetzt gerade veröffentlicht wurden. Das klingt nach viel Notenrecherche und viel Arbeit – aber mit Genuss, oder? Ja, auf jeden Fall. Ich liebe meine arbeit: ich bin sehr glücklich, hier in europa zu leben und solche Projekte machen zu können, denn das geht in amerika leider überhaupt nicht. Die Situation der Kultur dort ist so schlecht – heute noch schlechter als damals, als ich noch dort lebte! Aber ist das nicht überall so – zumindest in der Tendenz? Ja, es wird natürlich auf der ganzen Welt immer schlechter, aber ich sehe doch auch einen Lichtblick: in China, oder überhaupt in asien. natürlich weiß man imMoment nicht, wie es mit diesem furchtbaren Corona-Virus weitergehen wird, aber dennoch glaube ich, dass die Zukunft der klassi- schen Musik, der alten Musik inasien, in China und in Südamerika liegen wird. Denn nach unseren erfahrungen ist das Publikum dort immer fan- tastisch, da sind viele junge Leute in den Konzerten, sehr engagiert, und die Regierungen dort unterstützen das auch: da bekommen zum Beispiel Familien, die sich das sonst nicht leisten könnten, Freikarten für Konzerte, und es ist eine unglaublich gute Stimmung bei solchen Veranstaltungen. In europa dagegen sind natürlich die meisten Konzertbesucher längst in Rente – und so sehr ich sie schätze, frage ich mich dann doch oft, was in 20 Jahren passieren wird? Das ist eine Frage, die seit langem diskutiert wird, aber bisher gibt es mei- nes Wissens noch keine antwort darauf. aber, wie gesagt: ich denke, dass die Zukunft der alten Musik in asien und Südamerika liegen wird. © Andrea Braun, mit freundlicher Genehmigung der Alte-Musik-Fachzeitschrift TOCCATA, Ausgabe März – April 2020

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