Tage Alter Musik – Programmheft 2020

T age a LTeR M uSIK R egenSBuRg Konzert 1 Laute spielend und singend auf einer Wolke herabstieg; auf der Bühne waren Bilder des anti- ken Rom zu sehen. auch in den nächsten zwei Intermedien spielt die Wirkmächtigkeit von Musik eine zentrale Rolle. In beiden Fällen hat der Dichter ottavio Rinuccini erzählungen aus ovids Metamorpho- sen verwendet. Im zweiten Intermedio findet etwa ein Wettgesang zwischen den Musen und Pieriden statt; eine gruppe von Waldnymphen erklärt die Musen zu Siegerinnen, während die Pieriden in elstern verwandelt werden. Das dritte Intermedio verlegt die Szenerie in einen dunklen Wald, wo sich ein Kampf zwischen apoll und einem feuerspeienden Monster, wel- ches das Land der Delphier verwüstet, abspielt. Im Vergleich dazu kann das vierte Intermedio als Steigerung gedeutet werden, denn hier wird das Publikum in das Reich der Dämonen ver- setzt. De’ Rossi schildert, wie die Bühne von einem dreiköpfigen Luzifer dominiert wird – eine klare Reminiszenz an das Inferno aus Dan- tes Divina Commedia –, der Knaben frisst. eine Zauberin verkündet jedoch, dass nach der Hochzeit der beiden großen Seelen („le due grand’alme“) die Hölle niemanden mehr peini- gen wird. auch das fünfte Intermedio verarbei- tet mit der geschichte von arion, der durch sei- nen wunderbaren gesang von einem Delphin gerettet wird, einen berühmten antiken Stoff, wie er bei Herodot und Plutarch beschrieben wird; auf der Bühne konnte man amphitrite, die göttin des Meeres, sehen, die aus den Wel- len aufsteigt, um das Brautpaar zu grüßen. Mit dem sechsten Intermedio schließt sich gewissermaßen der Kreis, denn hier rufen apoll und Bacchus dazu auf, die schönen Klänge der himmli- schen Harmonie zu genießen und bei Sang und Klang Mühsal und Qual zu vergessen. Dadurch, dass so viele Komponisten an dem Projekt beteiligt waren, begegnet den Zuhörern in den Intermedien eine recht große stilistische Vielfalt. Hochexpressive, extrem virtuose Solo- lieder wie Dalle più alte sfere (Intermedio I) oder Io che dal ciel cader (Intermedio IV) erklingen neben echokompositionen (wie Dunque fra tor- bide onde im fünften Intermedio), instrumental begleiteten Madrigalen für drei bis sieben Stim- men und mehrchörigen Werken. ein klanglicher Höhepunkt dürfte Malvezzis O fortunato giorno im letzten Intermedio gewesen sein, bei der die ganze Besetzung auf der Bühne war, um in eine siebenchörige Panegyrik auf den großherzog der Toskana einzustimmen. am Schluss erklingen mit O che nuovo miracolo ostinato-Variationen, die unter dem namen Ballo del Gran Duca und Aria di Fiorenza europaweit bekannt wurden und zahllosen Komponisten zur Inspiration dienten. Die Intermedien zu La Pellegrina waren sowohl in auditiver als auch in optischer Hinsicht ein besonderes erlebnis, welches das Publikum zum Staunen bringen sollte. In zeitgenössischen Dokumenten werden sie immer wieder mit „meraviglia“ und „magnificenza“ assoziiert. Doch bei aller Bewunderung für die künstleri- sche Leistung sollte die politische Dimension des geschehens nicht aus den augen verloren wer- den. Schließlich war das erlesene Publikum nicht nur zur unterhaltung da, sondern das musika- lische Spektakel diente auch und nicht zuletzt der politischen Propaganda. Die Intermedien waren integraler Bestandteil von hochritualisier- ten Hochzeitsfeierlichkeiten, die das Ziel hatten, Florenz als das neue Rom darzustellen. nicht umsonst heißt es im letzten Intermedio, dass mit der Vermählung von Ferdinando I. de’ Medici und Christine von Lothringen die Rückkehr des goldenen Zeitalters eingeläutet werde. © Katelijne Schiltz, UR Die Hochzeit von Ferdinando I. de’ Medici und Christine von Lothringen Florentiner Künstler aus dem Umkreis Alessandro Alloris, 1588, Ferdinando I. de’ Medici Titelblatt von Girolamo Bargaglis Komödie „La Pellegrina“ (Die Pilgerin) anlässlich der Hochzeit des Medici-Fürsten Großherzog Ferdinand I. mit der Prinzessin Christine von Lothringen im Jahr 1589 8

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