Tage Alter Musik – Programmheft 2020

80 T age a LTeR M uSIK R egenSBuRg Konzert 16 aber auch „Monteverdi an der Milch-Bar“ oder Mozarts Requiem als Kara- oke-Produktion. Die Capella Cracoviensis entstand 1970 auf Initiative des damaligen Direk- tors der Krakauer Philharmonie, Jerzy Katlewicz, der die aufgabe der gründung eines ensembles, das sich auf die aufführung alter Musik spe- zialisiert, Stanisław galoński übertrug. Mit der Zeit erweiterte die Capella Cracoviensis jedoch ihr vielfältiges Repertoire von der Renaissance bis zu uraufführungen zeitgenössischer Musik und ist heute ein eigenständiges ensemble, das ausschließlich auf historischen Instrumenten musiziert. Dank der unterstützung der Stadt Krakau kann die Capella Cracoviensis ambitionierte Projekte auf höchstem künstlerischem niveau realisieren und dabei mit hervorragenden Musikerinnen und Musikern zusammen- arbeiten. Seit 2008 ist Jan Tomasz adamus ihr Direktor und musikalischer Leiter. als gastdirigenten leiteten u.a. Vincent Dumestre, Fabio Bonizzoni, ales- sandro Moccia, andrew Parrott, Christophe Rousset, Paul McCreesh oder Paul goodwin das aufstrebende ensemble, das zu führenden europäischen Festivals wie dem Bachfest Leipzig und den Händel-Festspielen Halle ein- geladen wurde und regelmäßig im Wiener Konzerthaus, im Theater an der Wien, in Versailles, Brüssel, gent und Kiew gastiert. neben seiner regen Konzerttätigkeit realisierte die Capella Cracoviensis in Polen bereits erfolgreich opernproduktionen von Händels „amadigi di gaula“, glucks „orfeo ed euridice“ oder Mozarts „Le nozze di Figaro“ und „Don gio- vanni“. gesamteinspielungen von den opern „adriano in Siria“ von Per- golesi und „germanico in germania“ von Porpora wurden für Decca pro- duziert und erhielten internationale Preise. eines der spektakulärsten Konzertevents fand am 27. august 2016 in Kra- kau statt. alle neun Symphonien von Ludwig van Beethoven wurden an einem Tag von der Capella Cracoviensis unter der Leitung von fünf ver- schiedenen Dirigenten aufgeführt. alle Symphonien wurden auch live im Radio übertragen. Im Mai 2018 begann ein auf sechs Jahre angesetztes Projekt: die auffüh- rung aller Symphonien von Joseph Haydn. Die Capella Cracoviensis besteht neben dem Instrumentalensemble auch aus einer eigenen Vokalgruppe, die unterschiedlichstes Repertoire – von den Madrigalen von gesualdo bis hin zu avantgardistischen Kompositio- nen des 20. Jahrhunderts – interpretiert. CD-aufnahmen (u.a. Bach-Motet- ten unter der Leitung von Fabio Bonizzoni) bezeugen den hohen künstle- rischen Rang des ensembles. nach dem Konzert bei den Tagen alter Musik gastiert die Capella Craco- viensis im Juni bei den Händel-Festspielen in Halle mit Händels oratorium „Israel in egypt“. zum Programm: Georg Friedrich händel: samson georg Friedrich Händel (1685–1759), der heute nach wie vor als Begründer einer eigenständigen englischsprachigen oratorientradition gilt, verbrachte weit über 40 Jahre seines Lebens, fern seiner sächsischen Heimat, in eng- land, und hier vor allem in London. Über 20 oratorische Werke kompo- nierte er zwischen 1718 ( Esther HWV 50a) und 1756/57 (The Triumph of Time and Truth HWV 71), und so verwundert es nicht, dass diese den engli- schen Sprachraum derart beherrschten, dass sich im 18. Jahrhundert nur wenige andere Komponisten an dieser gattung versuchten. Wie die ita- lienischsprachigen Seria-opern wurden Händels oratorien überwiegend in Theatern aufgeführt, allerdings ohne eine szenische Darstellung der Handlung. Sie boten dem Londoner Publikum eine alternative Form der unterhaltung in der Fastenzeit und in der Karwoche, in der normale The- atervorstellungen nicht erlaubt waren. Im abschlusskonzert der diesjährigen Regensburger Tage alter Musik präsentiert die Capella Cracoviensis mit Samson HWV 57 (das neben dem auch heute noch populären Messiah ) im 18. Jahrhundert am häufigsten aufgeführte englischsprachige oratorium Händels. Beide Werke entstan- den in unmittelbarer zeitlicher nähe im Jahr 1741, doch während der Mes- siah aus einer Kompilation von Bibelprosa aus der King-James-Bible besteht und auf eine Handlung verzichtet, zählt Samson zur großen gruppe der dramatischen oratorien, in denen der Text auf verschiedene akteure verteilt ist. Sie basieren überwiegend auf Stoffen des alten Testa- ments, verarbeiten diese aber in freier Dichtung, ohne sich allzu detailliert an den Schilderungen der Bibel zu orientieren. als Dramatis personae fungieren im Samson neben der Titelfigur des Hel- den, der vor seiner gefangennahme durch die Philister mit außerordent- lichen Kräften ausgestattet war und schwere Schuld auf sich geladen hatte, auf der Seite der Israeliten dessen Vater Manoa, sein Freund Micah sowie diverse namenlose Israelitinnen und Israeliten. Die gegenseite der Philister repräsentieren Samsons Frau Dalila, der Riese Harapha, Philisterinnen und Philister sowie Priester des gottes Dagon. G. F. Händel, Porträt von Balthasar Denner John Milton im Alter von 62 Jahren, Anonym, 1670 Händel im Alter von 56 Jahren aus Georg Friedrich Händels Lebensbeschreibung (Hamburg, 1761)

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