Tage Alter Musik – Programmheft 2020

81 T age a LTeR M uSIK R egenSBuRg Konzert 16 Das Libretto, das newburgh Hamilton (um 1691–1761) in enger Zusammenarbeit mit Händel verfasste, stellt im Wesentlichen eine Bear- beitung von John Miltons (1608–1674) 1671 veröffentlichter Tragödie mit Chören Samson Agonistes dar, einem explizit nicht zur aufführung bestimmten Lesedrama ohne einteilung in akte oder Szenen. In seiner Dramatisierung der erzählung über Samson aus den Kapiteln 13–16 des alttestamentlichen Buches der Richter konzentrierte sich Milton auf das ende des 16. Kapitels (Verse 23–31), in dem über den letzten Tag im Leben der Titelfigur berichtet wird. es ist der Tag, an dem der von den Philistern versklavte, des augenlichts und der Haare – als Quelle seiner Kraft – beraubte, zutiefst gedemütigte und verzweifelte Samson nach inneren Kämpfen seine eigene Schuld erkennt und sich selbst für sein Volk opfert, indem er nach demWiedererstarken seiner Kräfte den götzentempel über sich und den Philistern zum einsturz bringt. In Rückblenden werden wei- tere zum Verständnis der Handlung notwendige ereignisse aus der Vor- geschichte – Samsons geburt, aufstieg und Fall, die Bedeutung seiner Haare, Dalilas Verrat an die Philister u. a. – vorgestellt. nicht auf der Bibel basieren bei Milton wie bei Hamilton die Begegnungen Samsons mit sei- nem Vater Manoa, der ihn von den Philistern loskaufen möchte, mit Dalila, die hier als seine ehefrau auftritt und nach ihrem Verrat an Samson schein- bar Reue zeigt, und mit dem im Buch der Richter nicht vorkommenden Riesen Harapha, der Samson dazu auffordert, seine (eigentlich nicht mehr vorhandenen) Kräfte beim Fest zu ehren Dagons zu demonstrieren. Händel lernte Miltons Samson Agonistes spätestens imnovember 1739 ken- nen, als er einer Lesung des Textes imHaus anthony ashley Coopers, des 4. earl of Shaftesbury, beiwohnte und das gedicht offenbar als so inspi- rierend empfand, dass er in den Pausen der Lesung am Cembalo darüber improvisierte. Wann Händel seinen Freund Hamilton darum bat, die Mil- ton’sche Vorlage in einen für ein oratorium geeigneten Text umzuarbeiten, ist nicht bekannt. Hamilton unterteilte das gedicht in drei akte mit drei (akte I und III) bzw. vier (akt II) Szenen und kürzte den Text – vor allem für die rezitativischen Passagen – um etwa zwei Drittel. Darüber hinaus erweiterte er die Handlung um die Feier der Philister zu Beginn des aktes I sowie den Leichenzug und – in einer späteren Bearbeitungsphase – die Siegesfeier am ende des aktes III. als weitere bedeutende Zusätze sind die einführung der Figur des Micah aus dem 17. Kapitel des Buches der Richter zu nennen, dessen Text Hamilton überwiegend aus für den Chor bestimmten Versen übernahm sowie von Chören für die in Samson Ago- nistes nicht agierenden gruppen der Philister und Dagon-Priester. Die Texte vonarien und Chören stellte Hamilton zum Teil aus anderenWerken Miltons zusammen. Hier sind zum einen dessen nachdichtungen und Paraphrasen der Psalmen zu nennen, zum anderen eine ganze anzahl klei- nerer Dichtungen wie On the Morning of Christ’s Nativity (Samsons letzte arie) und At a Solemn Musick (letzte arie und Schlusschor des oratori- ums). Mit einem ersten entwurf zu seinem neuen oratorium begann Händel offenbar kurz nach der Fertigstellung des Messiah Mitte September 1741 in London. nach knapp sechs Wochen schloss er am 29. oktober die Kom- position, in der zu diesem Zeitpunkt noch sämtliche Cembalo-begleiteten Rezitative und der Preis gottes am ende fehlten, vorläufig ab, umanfang november nach Dublin aufzubrechen, wo er im Rahmen der imDezember beginnenden Konzertsaison u. a. im april und Juni 1742 die ersten auf- führungen seines Messiah in der newMusic Hall leitete. Kurz nach seiner „Samson“, Sinfony, Manuskript S. 1 I nhALtsAnGAbe 1. Akt Die Handlung spielt in gaza, wo die Philister ein Fest zu ehren ihres gottes Dagon feiern: für den blinden Samson eine gelegenheit zur kur- zen erholung von seiner Sklavenarbeit. er ist von Selbstvorwürfen gepeinigt („Torments, alas“). So treffen ihn seine israelitischen Freunde an, unter ihnen Micah, der in Samsons Schicksal erschüttert die unsi- cherheit der menschlichen existenz erkennt („o mirror of our fickle state“). Samson beklagt vor allem den Verlust seines augenlichtes („Total eclipse“). auf der Suche nach Samson tritt sein Vater auf und erinnert an dessen einstigen Ruhm („Thy glorious deeds“); Samson sehnt den Tod herbei, doch der Chor der Israeliten tröstet ihn mit der Hoffnung auf seinen Triumph über Tod und Zeit („Then round about the starry throne“). 2. Akt Micah und der Chor flehen zu Jehova um Rettung Samsons aus dessen elend („Return, o god of hosts“); Dalila tritt mit festlichem gefolge auf und bietet Samson erneut ihre Liebe an. er weist sie brüsk ab („Your charms to ruin led the way“), doch Dalila wendet all ihre Verführungs- künste an, um ihn wieder zu gewinnen. („My faith and truth“). Durch Samsons neuerliche ablehnung erzürnt („Traitor to love“) rühmt sie ihren Verrat an ihm als patriotische Tat. Der Philisterkrieger Harapha betritt die Szene, um beim anblick des entmachteten Feindes mit seiner eigenen Stärke zu prahlen („Honour and arms“) und Jehova zu verspot- ten, der seinen Kämpfer im Stich gelassen habe. Micah schlägt eine Machtprobe zwischen Jehova und Dagon vor. 3. Akt Harapha fordert Samson unter Drohungen auf, beim Dagonfest eine Probe seiner Kraft zu zeigen („Presuming slave“). nach anfänglicher Weigerung nimmt Samson die aufforderung an. Mit Jehovas Hilfe will er die Philister besiegen. er hat seinen inneren Frieden wiedergefunden („Thus when the sun“); die gebete seiner Freunde begleiten ihn. Manoa tritt wieder auf, mit Plänen zu Samsons Befreiung („How willing my paternal love“). Von ferne ist die Festmusik der Philister zu hören, die von plötzlichem Wehgeschrei unterbrochen wird. ein Bote tritt auf und verkündet, dass Samson die Säulen des Dagontempels niedergerissen habe und mit den Philistern zugrunde gegangen sei. Micah stimmt einen Klagegesang an („Ye sons of Israel, now lament“). unter den Klängen eines Trauermarsches wird Samsons Leiche herbei getragen. es folgt eine große Trauerfeier („glorious hero, may thy grave“). Manoa fordert schließlich, die Klagen zu beenden, weil „Samson als Samson fiel“. ein allgemeiner Lobpreis Jehovas („Let the bright Seraphim“) beendet das Werk. s AMson

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