Tage Alter Musik – Programmheft 2021

11 T AGe A LTeR M uSIK R eGenSBuRG Konzert 1 deshalb in Partitur notiert wurde, um demKönig die kunstvolle Kombination der sechs Stimmen deutlicher vor Augen zu führen, als es in Klavier- notation möglich gewesen wäre. Schließlich hatte der Preußenkönig selbst vom alten Bach bei des- sen Potsdamer Besuch im Mai 1747 eine sechs- stimmige Fuge über „sein“ königliches Thema verlangt. Spätere Generationen empfanden das Tasteninstrument für das Ricercar als Beschrän- kung. Anton von Webern orchestrierte es; zahl- reiche ensembles und Kammerorchester spielten „ihre“ Version des Satzes ein. Ihre Rechtfertigung findet diese Bearbeitungs- praxis letztlich im Stil der Fuge selbst. Sie knüpft an kontrapunktische Techniken der Palestrina- Zeit an, mit denen sich Bach in seinen letzten Lebensjahren intensiv beschäftigte. Wie ein Ricercar des 16. Jahrhunderts sowohl auf dem Virginal als auch von einem Gambenconsort gespielt werden konnte, so bleibt auch Bachs Fuge in der Schwebe. Der Titel Ricercare (origi- nal: Ricercar) deutet dabei auf eine freiere Fugentechnik hin, als man sie von Bach gewöhnt ist: nach der ersten Durchführung wandert das Thema nie mehr durch alle sechs Stimmen, sondern tritt nur noch in ein- zelnen Stimmen als Cantus firmus auf, während die anderen neue Motive durchführen. Choralsatz „Wohl mir, dass ich Jesum habe/ Jesus bleibet meine Freude“ aus der Kantate „Herz und Mund und tat und Leben“ BWV 147 Die Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“ BWV 147 besteht aus zwei Teilen, die vor und nach der Predigt aufgeführt wurden. Beide Teile enden mit einem identischen Chorsatz. Am ende des ersten Teils ist es die 6. Strophe „Wohl mir, daß ich Jesum habe“ des Liedes „Jesu, meiner Seelen Wonne“ von Martin Jahn (1661). Am ende des zweiten Teils ist es die 16. Strophe desselben Liedes „Jesus bleibet meine Freude“. Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Adagio und Fuge KV 546 „Ich gehe alle Sonntage um 12 uhr zum Baron von Suiten – und da wird nichts gespiellt als Händl und Bach“ , schreibt Mozart in einem Brief imApril 1782. Baron Gottfried van Swieten ist Diplomat, Musikfreund und einer von Mozarts wichtigsten Förderern. er besitzt eine große notenbibliothek mit Werken von Bach und Händel. Mozart darf bei ihm diese Partituren aus- leihen, er studiert sie ausgiebig und eignet sich selbst die Musiksprache und die polyphonen Techniken des Barock an. Die Begegnung mit dieser Musik ist für Mozart eine große künstlerische Herausforderung – und sie löst die vielleicht größte Schaffenskrise seines Lebens aus. Aus keiner ande- ren Zeit haben wir von Mozarts Hand so viele entwürfe, Fragmente, Ver- worfenes und zur Seite Gelegtes. eine der Kompositionen, die sich gegen Mozarts Zweifel durchsetzt, ist die Fuge für zwei Klaviere in c-Moll KV 426. Sie stammt aus dem Jahr 1783. Fünf Jahre später hat Mozart sie für Streicher bearbeitet und ihr eine gewichtige Adagio-einleitung vorange- stellt, die mit ihren majestätischen Punktierungen an eine französische Opernouvertüre erinnert. Ins Köchel-Verzeichnis fand das Werkpaar Ada- gio und Fuge als selbständige Komposition unter der nummer 546 ein- gang. In der Fuge kostet Mozart alle Techniken aus, die er in der Musik von Bach und Händel in so vollendeter Form vorfindet. Das Thema bewegt sich in harmonisch langsamem Tempo und eignet sich deshalb besonders gut für Spiegelungen und umkehrungen aller Art. Mozart lotst es durch verschie- dene Tonarten, stellt es auf den Kopf und zaubert damit die kühnsten eng- führungen – zum Teil folgen die einsätze imAbstand eines halben Taktes! An einer Stelle treten Original und umkehrung gleichzeitig auf. Geschickt balanciert Mozart auf dem schmalen Pfad, der sich auftut zwischen Regel- werk und Abweichung – all das eingefärbt in das dramatische Pathos, das der Tonart c-Moll anhaftet. Übrigens hat sich Beethoven diese Fuge zu Studienzwecken abgeschrieben. Leopold Mozart mit seinen Kindern Wolfgang Amadeus und Maria Anna, an der Wand ein Porträt der verstorbenen Ehefrau Anna Maria. Gemälde von Johann Nepomuk della Croce, um 1780

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