Tage Alter Musik – Programmheft 2021

27 T AGe A LTeR M uSIK R eGenSBuRG Konzert 4 Romina Lischka, Viola da gamba & Leitung Foto: Geoffroy Schied Dorothee Mields, Sopran Foto: Harald_Hoffmann Simon Dach Johann Rist Martin Opitz zum Programm: „Hertzenstrost wider den Sorgenteuffel“ – Heinrich Alberts Kürbishütte in Königsberg „Ach Gott, wir haben’s nicht gewusst, was Krieg für eine Plage ist!“ so beginnt das fünfte von Johann Hildebrands (1614–1684) Liedern für Solo- stimme und Continuo Kriegs-Angst-Seufftzer , publiziert in den letzten Jah- ren des Dreißigjährigen Krieges in Leipzig. „Da gehet Gut weg, da gehet alles weg.“ Mit bedrückender Kargheit der Sprache schildert Hildebrands Werk die erfahrungen des Krieges, der zu diesem Zeitpunkt schon seit fast drei Jahrzehnten in Mitteleuropa tobte und der ein ungeahntes Maß der Zerstörung über ganze Landstriche, darunter auch Hildebrands Hei- matort Pretzsch, brachte. Die Zerstörungswut des Krieges machte auch vor Musik und Musikern nicht halt: So beklagt Heinrich Schütz (1585–1672), dass die Musik durch den Krieg „nicht allein in grosses Abnehmen gerathen, sondern an man- chem Ort gantz niedergeleget worden“ sei. Auch Schütz’ Kollege Samuel Scheidt (1587–1654) verlor in Folge des Krieges nicht nur seine Stelle, son- dern auch sein Vermögen und vier seiner Kinder. Seine Ludi Musici wurden noch für die gut besetzte markgräfliche Kapelle zu Halle geschrieben, und gerade die darin enthaltene Galliard Battaglia zeugt von der überbordenden Spielfreude der aufblühenden Instrumentalmusik, deren rufende und ant- wortende Bläserläufe einen ‚lebhaften Krieg‘ in der Tradition der Batta- glia- oder Schlacht-Musiken darstellen. Als der letzte der vier Bände der Ludi 1627 erschien, war die Hofkapelle schon seit zwei Jahren aufgelöst, der Markgraf vor Wallenstein und dem Krieg geflohen. Inmitten dieser Schrecken sindWerke wie Hildebrands Kriegs-Angst-Seufft- zer jedoch nicht immer völlig hoffnungslos. So fährt er in dem oben zitierten Lied, sich an Gott wendend, fort: „beschere uns ein Örtlein, da wir bleiben, […] ein Räumlein, da wir sicher sein können,/ daß wir in Friede deinen Tempel besuchen,/ […] in Friede selig sterben mögen.“ Bezeichnenderweise ist hier nicht die Rede von Triumph, Fürstenruhm oder dem Sieg der einen oder anderen Seite. einzig um ein befriedetes „Örtlein“ wird gebeten, um einen Frieden ‚im Privaten‘, in einem sicheren „Hüttlein“. eben ein solcher Ort, verschont von Krieg und Zwist, war HeinrichAlberts „Kürbishütte“ in Königsberg. Ab 1636 war diese Gartenlaube der Treff- punkt Alberts (1604–1651) und seiner Freunde, zu denen u.a. Simon Dach (1605–1659), Martin Opitz (1597–1639) sowie der Hofkapellmeister Johann Stobaeus (1580–1646) zählten. So wie Königsberg im Ganzen vom Krieg weitgehend verschont blieb, war auch Alberts Kürbishütte im Kleinen ein Refugium – ein locus amoenus (Dach) – des befreundeten Dichterkreises. Hier traf man sich, um Gedanken und neue Werke auszutauschen, und Albert schnitt sogar die namen der zwölf Freunde, zusammen mit kurzen

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=