Tage Alter Musik – Programmheft 2021

30 T AGe A LTeR M uSIK R eGenSBuRG Konzert 4 nern, denen Jona Vernichtung wünscht, vorführt. Im Kontext protestanti- scher Predigten fand diese Passage als Gleichnis im Angesicht schwerer Schicksalsschläge wie etwa Kindstod Verwendung. Die Hinterbliebenen sollten dadurch daran erinnert werden, auf Gottes Vorsehung und Barm- herzigkeit zu vertrauen. In diesem Kontext wurde die episode aus dem Buch Jona in der zeitgenössischen Rezeption zur expliziten Rechtfertigung der Freude an Gottes Schöpfung, trotz ihrer Vergänglichkeit. Durch die Verbindung mit dem alttestamentarischen Gleichnis gewinnt Alberts Kürbisgarten eine noch deutlichere zeitgeschichtliche Konnotation: ebenso wie dem antiken ninive die Vernichtung drohte, waren auch viele deutsche Städte von Krieg und Zerstörung bedroht – ein Kontext, der auch im vergleichsweise friedlichen Königsberg nicht unbemerkt bleiben konnte. AuchAlbert war biographisch mit dem Kriegsgeschehen in Mittel- deutschland verbunden, war doch sein Geburtsort Bad Lobenstein 1632 von kaiserlichen Truppen erstürmt worden. noch viel enger als Albert jedoch war dessen Vetter und Lehrer Heinrich Schütz in seiner Rolle als sächsischer Kapellmeister in das Kriegsgeschehen verwickelt und von der Verkümmerung der Musikkultur in dessen Folge betroffen. Auch Schütz hatte schon 1619 eine Komposition veröffentlicht, die, dem ethos von Alberts Garten-Refugium entsprechend, von seliger Zusammenkunft Gleichgesinnter spricht: „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, dass Brüder ein- trächtig bei einander wohnen!“ (Psalm 133, 1). 29 Jahre später, in der Motette Verleih uns Frieden genädiglich schließlich ruht der Frieden, der im Psalm besungen wird, einzig in Gottes Hand: „es ist ja doch kein ander nicht, der für uns könnte streiten“ – Der Gnade Gottes ist das glückliche Zusammenleben der Menschen und der daraus resultierende Frieden zu verdanken. Auch in der Seligkeit ‚einträchtiger Brüder‘, wie sie in privaten Zirkeln wie dem Alberts gefeiert wurde, war der Tod nach wie vor gegenwärtig und selbst die Pflanzen imGarten werden als Memento Mori zum Sprechen gebracht. Gleichzeitig befeuert diese Todesahnung jedoch die sprichwört- lich den Tag auskostende Freude, und so gerät die sie umgebende Pflan- zenwelt den barocken Dichtern zur Chiffre eines Krieg und Vergänglich- keit trotzenden Lebenswillens: nicht nur mahnt sie im Wissen um das eigene Vergehen zur Tätigkeit, sie verdeutlicht auch die Herrlichkeit der Schöpfung Gottes. Im Kontext der Jona-Rezeption schließlich wird speziell der Kürbis zum Sym- bol der Liebe Gottes zu seiner Schöpfung und zum Aufruf, gerade in der Vergänglichkeit Grund zur Freude zu finden. Immerhin zeigt sich so im flüchtig- sten Augenblick, dessen poetisches Potential Dichter wie Dach und Opitz zu entdecken begannen, der Ausblick auf das Paradies. © Janosch Umbreit, UR Titelseite zu „Das Friedejauchzende Teutschland“, 1653 CD: Hathor Consort/ Dorothee Mields – Kürbishütte

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