Tage Alter Musik – Programmheft 2021

57 T AGe A LTeR M uSIK R eGenSBuRG Konzert 10 Gloucester Cathedral Choir, studierte mit einem Chorstipendium am Londoner King‘s College Musik und schloss sein Studium im Jahr 2010 mit Auszeichnung ab. Anschließend absolvierte er einAufbaustudium an der university of Cam- bridge, wo er dem Chor des Jesus College ange- hörte. Derzeit ist er Doktorand der Musikwis- senschaft an der university of Maryland. Aktuell lebt Allies in London und Washington DC. Zu den Höhepunkten der Saison 2018/2019 im Vereinigten Königreich gehörten eine Auf- führung mit dem Chor Khoros beim London JazzFestival und eine vom Arts Council finan- zierte Zusammenarbeit mit dem auf neue Musik spezialisierten ensemble x.y. In den uSA singt Allies im Chor der St Paul’s Church in der K Street in Washington DC und wurde kürzlich als Gastdirigent an die Christ‘s Church in Rye, new York, eingeladen. Außerdem war er als Gastdirigent und Dozent am Loras College in Iowa tätig. zum Programm: „Heilige Woche in Hamburg“ Hieronymus Praetorius: Missa „tulerunt Dominum meum“ Beim heutigen Konzert findet eine liturgische Reise durch die Karwoche statt, wie sie Anfang des 17. Jahrhunderts in Hamburg gefeiert worden sein könnte. ImMittelpunkt des Programms steht die doppelchörige Missa „Tulerunt Dominum meum“ von Hieronymus Praetorius. Geboren in Hamburg, wurde Praetorius 1586 zum Organisten der dortigen Jacobikir- che ernannt und blieb dies auch bis an sein Lebensende. neben Musik von Praetorius erklingen Motetten aus erhard Bodenschatz‘ „ Florilegium Por- tense“ von 1618, einer praktischen und beliebten Sammlung, die mehrere Werke von Praetorius enthält und auch über ein Jahrhundert später in Johann Sebastian Bachs Leipzig noch verwendet wurde. Wir beginnen am Gründonnerstag mit „ Tristis est anima mea“ , einem Text über Jesus im Garten Gethsemane. In dieser Vertonung von Orlando di Lasso fließen die Gefühle frei dahin und werden nur in Momenten rheto- rischer Stärke wie bei „ videbitis turbam“ („ihr werdet die Rotte sehen“) von homophonen Klängen unterbrochen. Jacob Handls „ Filiae Jerusalem, nolite“ führt uns zur Prozession zum Kreuz, an dem Jesus seinen Anhängern gebietet, nicht um ihn zu weinen. In Handls ausdrucksstarker Vertonung wird die Cori-Spezzati-Technik verwendet, durch die sich auch Praetorius‘ Messe auszeichnet. nun sind wir in der Liturgie beim Karfreitag und dem Gedenken an die Kreuzigung Jesu angelangt. In Praetorius‘ fünfteiligem „ O vos omnes“ wird Chromatik mit einem wendigen Kontrapunkt verschmolzen, um die Worte „transitis per viam“ („die ihr am Weg vorbeigeht“) zu verdeutlichen. Im Abschlussteil „si est dolor sicut dolor meus“ („ob ein Schmerz gleich meinem Schmerz ist“) verwendet Praetorius eine Reihe klagender Harmoniewechsel. In Hans Leo Hasslers „ Deus, Deus meus“, in dem ein Teil des 63. Psalms vertont ist, wird der einfluss vene- zianischer Musik deutlich, der auch in Praeto- rius‘ Messe anklingt. Hassler, der in Venedig bei Andrea Gabrieli studierte, teilt den Chor, um wechselchörige effekte zu erzielen, und ahmt so die Musik seiner italienischen Zeitge- nossen nach. In Hieronymus Praetorius‘ „ Tulerunt dominum meum“ , der Motette, die das Vorbild für seine Messe darstellt, fängt Ostern an. Im Text wer- den die dramatischen Geschehnisse am frühen Ostermorgen beschrieben, als Maria Magda- lena zu Jesu Grab geht und es leer vorfindet. Dort, wo sich eigentlich der Leichnam Jesu befinden sollte, sitzen zwei engel, die Maria Magdalena sagen, dass sie ihn in Galiläa wiedersehen werde. Der Charakter sowohl der Motette als auch der darauffolgenden Messe ist eher hoffnungsvoll als wirklich freudig und passt hervorragend zur Stimmung dieser erzäh- lung. Patrick Allies Foto: Soumaya Keynes Ansicht Hamburg im 17. Jahrhundert

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