Tage Alter Musik – Programmheft 2021

61 T AGe A LTeR M uSIK R eGenSBuRG A nDreAS H oLSCHneIDer Mit 88 Jahren verstarb am 24.9.2019 Prof. Dr. Andreas Holschneider. Prof. Holschneider schloss zunächst ein Klavierstudium bei Prof. edith Picht-Axenfeld mit dem Konzertdiplom ab. Danach stu- dierte er Musikwissenschaft und wurde Professor am Musikwissen- schaftlichen Institut in Hamburg. Im Jahr 1970 übernahm er die Lei- tung der Archiv Produktion, dem Alte-Musik-Label der Deutschen Grammophon Gesellschaft, im Jahre 1987 wurde er Geschäftsfüh- rer und Präsident der Deutschen Grammophon Gesellschaft. Prof. Holschneider stand in gewisser Weise Pate bei der Gründung der Tage Alter Musik Regensburg 1984. Prof. Holschneider brachte die histo- rische Aufführungspraxis nach Regensburg, genauer gesagt in den Hoch- chor der Basilika St. emmeram, wo seit 1971 alljährlich Schallplatten mit den Regensburger Domspatzen für die Archiv Produktion aufgenommen wurden. er brachte für diese Aufnahmen führende Musiker der histori- schen Aufführungspraxis dieser frühen Phase nach Regensburg mit wie das ulsamer Collegium mit ihrem Leiter Josef ulsamer, die Capella Aca- demica Wien unter eduard Melkus, Solisten wie edward H. Tarr oder Hol- ger eichhorn und Solisten der Pro Cantione Antiqua, London. Besonders erfolgreich waren die ersten drei Produktionen: Schütz: Psalmen Davids (1971), Bach: Motetten (1973) und Monteverdi: Marienvesper und Missa „In illo tempore“ (1974/75), die allesamt den Deutschen Schallplattenpreis und den Grand Prix du Disque neben weiteren Schallplattenpreisen erhiel- ten. Als Mitglieder der Domspatzen bekamen wir so unmittelbaren Kon- takt mit der historischen Aufführungspraxis. Wir hielten den Kontakt zu Prof. Holschneider auch danach aufrecht und begleiteten seine Aktivitäten für die Archiv Produktion in den 80er und 90er Jahren. es kam immer wie- der zu persönlichen Begegnungen in Ansbach, Berlin und Hamburg. 1984 ermutigte er uns, in Regensburg Tage Alter Musik zu etablieren. Seine Leistung für die etablierung der Alten Musik und der histori- schen Aufführungspraxis weltweit sind kaum hoch genug einzu- schätzen. So verpflichtete er ab ende der 70er Jahre für das Archiv-Label englische ensembles wie The english Concert/ Trevor Pinnock und english Baroque Soloists/ J.e. Gardiner sowie die deutsche Musica Antiqua Köln unter Rein- hard Goebel, mit denen zahlreiche preisgekrönte Aufnahmen ent- standen und die Richtung für viele nachkommende ensembles bestimmt wurde. Besonders erfolgreich waren auch Prof. Hol- schneiders Zyklen wie Tanzmusik vom Mittelalter bis zum Bieder- meier mit ulsamer und Melkus, der Zyklus mit franko-flämischer Literatur mit der englischen Pro Cantione Antiqua, der Lautenzy- klus mit Konrad Ragossnig, sein Gregorianik-Zyklus oder auch Musik der Gotik mit David Mun- row und vor allem auch seine Zelenka-Renaissance, die zweifel- los mit seinen Aufnahmen begann. Für uns war es eine große ehre, Prof. Holschneider in seinen spä- ten Lebensjahren als regelmäßigen Gast der Tage Alter Musik Regens- burg begrüßen zu dürfen. W oLF e rICHSon Mit Wolf erichson verstarb imAlter von 91 Jahren ein legendärer Pro- duzent von Hunderten von Auf- nahmen in historischer Auffüh- rungspraxis, vor allem für die Labels SeOn und „Sony Classical Vivarte“. Wolf erichson begann 1957 seine Karriere für die Reihe „Das Alte Werk“ des Labels Telefunken/Tel- dec und konzentrierte sich als Schallplattenproduzent schon früh auf einspielungen vonAlter Musik in historischer Aufführungspraxis. unter ihm entstanden zahlreiche einspielungen für die Reihe „Das Alte Werk“, vor allem mit dem Concentus musicus Wien unter nikolaus Harnoncourt. 1970 erschien die erste einspielung der Matthäuspassion von Bach auf alten Instrumenten, an der wir auch als Domspatzen in Wien mitwirken durften. Die erste Kompletteinspielung der Kantaten Bachs geht auf seine Initiative zurück. Sein besonderes Interesse galt immer auch den Knabenchören. 1971 gründete er das Label SeOn, für das vor allemAufnahmen mit Musi- kern der niederländischen Alte-Musik-Szene entstanden, Musikern wie Leonhardt, Brüggen, Bylsma, den Kuijkenbrüdern und deren ensembles, aber auch Konrad Ruhland, Paul van nevel, Lutz Kirchhof u.a. Ab 1991 nahmWolf erichson exklusiv für Sony Classicals Alte-Musik-Label Vivarte auf. Zu den Künstlerpersönlichkeiten, mit denen er eng zusammen- arbeitete, gehörten neben den genanntenMusikern vor allem das kanadische Tafelmusik Baroque Orchestra unter Bruno Weil sowie amerikanische ensembles (L’Archibudelli, Mozzafiato). In rund vierzig Jahren hat der Pro- duzent Wolf erichson fast achthundert Schallplatten und CDs aufgenom- men. Über fünfzig seiner Produktionen wurden mit Auszeichnungen und Preisen geehrt. Wolf erichson verstarb am 17. Oktober 2019 imAlter von 91 Jahren in seinem Haus in Südfrankreich. Wolf Erichson Foto: Salle erichson Prof. Dr. Andreas Holschneider Foto: Miriam Alexandra Prof. Holschneiders Grußwort zu den ersten Tagen Alter Musik Regensburg 1984 In Memoriam zwei wegweisende Produzenten herausragender Alte-Musik-CD-Labels starben im Herbst 2019. Wir erinnern an sie.

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