Tage Alter Musik – Programmheft 2021

69 T AGe A LTeR M uSIK R eGenSBuRG Konzert 12 demographischer Hinsicht hervorrufen, die die Menschheit bis dahin erlebt hatte. Im Vertrag von Tordesillas teilten Spanien und Portugal im Jahr 1494 die Welt unter sich auf. Vor allemwaren sie die ersten, die sich in dieser Ange- legenheit recht geschickt verhielten, um die führenden Weltmächte in einem Reich zu werden, „in dem die Sonne niemals unterging“ - dank des Goldes und Silbers, das aus der neuen Welt kam. Der Wunschtraum vom eldorado des Goldes entfesselte eine massive emi- gration nach Übersee und zog die Kolonisierung und Missionierung der neuen Territorien nach sich. Die spanische Krone setzte eine Verwaltung nach kastilischem Vorbild ein und installierte Vizekönige, die theoretisch zwar der Krone unterstellt waren, in der Realität aber eine beträchtliche Macht und unabhängigkeit hatten. Diese regelrechten Königshöfe – die bedeutendsten befanden sich in Mexiko und in Peru – ließen Paläste und Kathedralen errichteten, in denen sich eine intensive intellektuelle und künstlerische Aktivität entfaltete. Mit der Ankunft der europäer und – später – der schwarzen Sklaven aus Amerika sollte, je nach den Gegebenheiten, eine mehr oder weniger starke Vermischung der Völker einsetzen. Die eingeborenen Völker wurden, obwohl sie einen Status zuerkannt bekamen, der sie vor der Versklavung schützte, systematisch diskriminiert und teilweise sogar ausgerottet. Doch das multikulturelle Völkergemisch sollte auch Auswirkungen auf die Kün- ste haben. So brachten die Spanier einen Musikstil mit, der das erbe der europäischen Polyphonie darstellte, sowie eine große Anzahl von Musik- instrumenten, insbesondere Streichinstrumente. Die Missionierung maß dem Lied eine bedeutende Stellung zu und so war die Musik allgegen- wärtig, nicht nur in der Kirche sondern auch auf den Straßen. eine Besonderheit der ibero-amerikanischen Musik ist, dass die kirchliche Obrigkeit in der Sakralmusik volkstümliche Instrumente (Gitarren, Schlag- und Blasinstrumente usw.) und die Rhythmen der eingeborenen ebenso wie die afrikanischen ursprungs nicht nur tolerieren sondern sogar bewusst förderten. Dadurch wurde zwischen dem Lebensgefühl der indi- genen Bevölkerung und dem evangelium ein Bindeglied geschaffen, das bis heute in einer bemerkenswerten Intensität und Inbrunst bestehen blieb. Auch die Konzertmusik sollte dank der europäischen Kapellmeister, die an den bedeutenden Bischofssitzen von Mexiko und Lima wirkten, einen wichtigen Platz einnehmen. Mit diesem Programmmöchten wir den Reichtum, die Schönheit und die Mannigfaltigkeit der Musikstile imAmerika des 16. und 17. Jahrhunderts zeigen, ihre Originalität durch die Assimilation indigener elemente und ihre Vielseitigkeit dank des Zusammentreffens von europa, Amerika und Afrika. Wir werden auch einige tonos von José Marín einbeziehen sowie spanische Lieder, die zur Zeit Ludwigs XIII. in Frankreich herausgegeben wurden, was beweist, sollte es denn nötig sein, dass Musik keine Grenzen kennt, dass sie herumwandert und immer herumwandern wird. © Manuel de Grange Übersetzung & Lektorat: Christina Bergmann, Hannsjörg Bergmann Tabulatur Gaspar Sanz Gaspar Sanz Dagmar Saskova Foto: Martin Vohralik Barbara Kusa Foto: Antony Zaro

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