Tage Alter Musik – Programmheft 2021

73 T AGe A LTeR M uSIK R eGenSBuRG Konzert 13 Die eigene Begeisterung für Alte Musik geben die Musikerinnen und Musi- ker gerne weiter an ein breitgefächertes und neugieriges Publikum. Dabei gilt ihr besonderes Interesse der Gestaltung eigener Programme und Auf- führungsformate. Kreativ moderierte Programme, Musikvermittlungspro- jekte sowie Familien- und Kinderkonzerte führen Musizierende und Hörende auf intensive Weise zusammen. la festa musicale ist offizieller Partner der uneSCO City of Music Han- nover und Kooperationspartner des Forum Agostino Steffani. zum Programm: Agostino Steffani Die zu Beginn des Konzerts erklingende Chaconne von Agostino Steffani entstammt dessen erster für den Hannoverschen Hof komponierten Oper „Henrico Leone“, die 1689 zur einweihung neuen Theaters im Leineschloss uraufgeführt wurde. unter der Leitung des Hofkapellmeisters, Diplomaten und späteren Bischofs Steffani entstand in der französisch geprägten Hof- kapelle ein fruchtbarer Boden für musikalischen Fortschritt, bei demMerk- male französischer und italienischer Tonkunst zu neuem verschmolzen. Georg Philipp Telemann praktizierte und benannte diese Musik Jahrzehnte später als „Vermischten Geschmack“ – in Hannover treffen wir diese kre- ative europäische Mélange schon um 1700. Wer war Francesco Venturini? Obwohl sein italienisch klingender name anderes vermuten lässt, wurde Venturini um 1675 in Brüssel geboren. Das zumindest legen die Taufein- tragungen seiner Kinder nahe, in denen der Vater mit der Bezeichnung „Bruxellensis“ – „der aus Brüssel stammende“ firmiert. Über seine Jugend undAusbildung ist nichts bekannt. Die Überlieferung setzt erst mit seinem erscheinen in Hannover ein - hier heiratete er am 13. Januar 1697 und erhielt ein gutes Jahr später eine Anstellung als Geiger in der Hofkapelle. Als Instrumentalist wird er über beachtliche Fähigkeiten verfügt haben, denn die Hannoveraner Kapelle gehörte damals zu den kulturellen Zen- tren europas: Hervorragende Musikerpersönlichkeiten wie die Komponisten Antonio Sartorio, Agostino Steffani und Georg Friedrich Händel prägten das erscheinungsbild der höfischen Musikpflege in Hannover, die seit 1665 und besonders zwischen 1680 und 1714 ihre Blütezeit erlebte. War die kul- turell-gesellschaftliche Ausrichtung der Welfen zunächst katholisch-italie- nisch orientiert, verlagerte sie sich mit der Thronbesteigung ernst Augusts 1679 in den von Ludwig XIV. und Versailles inspirierten protestantisch- französischen Bereich. 1688 übernahm der in Deutschland, Frankreich und seiner Heimat ausgebildete Italiener Agostino Steffani, in dessen Kompo- sitionen italienische und französische Stilelemente zur Synthese gelangten, das Amt des Hofkapellmeisters. Hannover, ein Anziehungspunkt für Künstler und Intellektuelle wie den Philosophen Gottfried Wilhelm Leib- niz, wurde zu einem internationalen Zentrum für die Ausbildung eines Stils, der die unterschiedlichen Musiktraditionen Italiens und Frankreichs miteinander verband und für die entwicklung der norddeutschen Barock- musik eine tragende Rolle spielte. Während der Regentschaft ernst Augusts lag der Schwerpunkt auf den jährlichen Opernproduktionen. Sein Sohn und nachfolger Georg Ludwig, der 1714 durch den „Act of Settlement“ als George I. den englischen Thron besteigen sollte, ließ nach dem Tode des Vaters die Kapelle auf 17 Musiker vergrößern und konzentrierte sich fortan auf die Instrumentalmusik. Im Zuge dieser Vergrößerung wurde wohl auch Venturini eingestellt. Sein name taucht zu Ostern 1698 erstmals in den Akten des ensembles auf, dessen Leiter damals der für seine fortschrittliche Behandlung des Orches- ters berühmte Violinist Jean-Baptiste Farinel war. Venturini durfte Farinel regelmäßig vertreten - u. a. während Georg Friedrich Händels kurzem Intermezzo als Kapellmeister. 1713 avancierte Venturini zum „Maestro dei Concerti“ (Konzertmeister) und folgte ein Jahr später Fannel in das Amt des Kapellmeisters nach. unterbrochen nur von einem ca. einjährigenAuf- enthalt in Gotha 1718/19 zur neueinrichtung der dortigen Kapelle, übte er diese Tätigkeit bis zu seinem Tode am 18. April 1745 aus. Für seine entwicklung als Komponist fand Venturini in Hannover beste Bedingungen vor. er hatte nicht nur ein ausgezeichnetes, gut besetztes Orchester zur Verfügung, sondern sein umfeld legte sowohl im Leine- schloss als auch in der Sommerresidenz Herrenhausen auf die Pflege der Instrumentalmusik größten Wert. und Venturini antwortete mit repräsen- tativen Werken auf diese nachfrage. Seine Ouverture à 5 in e-Moll hat sich im nachlass Hinrich Christoph engelhardts erhalten, der (mit einer unterbrechung) von 1727 bis 1764 Organist der Kathedrale von uppsala und akademischer Musikdirektor war. Seine Musikaliensammlung ging nach seinem Tode an die universität Lund und zählt ca. 750 Werke, hauptsächlich von Händel, aber auch von anderen prominenten Komponisten wie Carl Heinrich Graun undAntonio Vivaldi. Venturinis Ouverture ist vollständig dem Tanz verschrieben - beschwingte nummern wechseln sich dabei mit getragenen Stücken ab. So macht nach der Ouvertüre eine fröhliche Gavotte den Auftakt vor der höfischen Sarabande, deren schreitende Rhythmen eine elegante Melan- cholie ausstrahlen. ein englischer Kontretanz, die Angloise, versprüht noch einmal energie, bevor es im Rondeau wieder sanfter zugeht. eine melo- diöse und muntere Gigue beschließt die Suite. Wer war Giuseppe Valentini? Giuseppe Valentini war unter anderem ein Schüler von Giovanni Bonon- cini, als dieser zwischen 1690 und 1696 in Rom wirkte. Valentini hatte in vielen Kirchen wichtige musikalische Funktionen. Gestützt auf erzählun- gen des alternden Francesco Geminiani, erwähnte ihn der englische Musik- schriftsteller Charles Burney als einen erbitterten RivalenArcangelo Corel- lis. es heißt sogar, dass Corelli bei seiner Rückkehr von einemAufenthalt in neapel deswegen nicht gebührend empfangen worden sei, weil Valent- ini hier inzwischen sehr angesehen war und sehr bewundert wurde. Das soll Corelli derart krank gemacht haben, dass er darüber starb. Agostino Steffani, Ölgemälde von Gerhard Kappers, um 1714

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