Tage Alter Musik – Programmheft 2021

74 T AGe A LTeR M uSIK R eGenSBuRG Konzert 13 Valentini war Geiger und Komponist, seine Werke hat er ausschließlich der Violine gewidmet und die Sammlung der Concerti grossi opus 7 sind seine interessantesten und vollkommensten Schöpfungen. Daraus erklingt sein Concerto a quattro violini in a-Moll im heutigen Konzert. Valentini wagte Innovationen für das Geigenspiel, aber seine virtuosen und farben- reichen Kompositionen verschwanden und er wurde nahezu völlig ver- gessen. es blieb das Verdienst Reinhard Goebels und Chiara Banchinis, dass seine Werke heute wieder häufiger zu hören sind. ouverture (Suite) eine der erfolgreichsten musikalischen Gattungen, die die deutschen Kom- ponisten importierten und weiterentwickelten, war die der „Ouverture“, deren ursprünge im französischen ballet de tour und in der Oper zu finden sind. um die Mitte des 17. Jahrhunderts bezeichnete das Wort „Ouverture“ in Frankreich jegliches Instrumentalstück, das einer Oper, einem Ballett, bisweilen aber auch einem einzelnen Akt besagter Bühnenwerke voran- gestellt wurde. Hauptsächlich aber war es die Disziplin des Jean-Baptiste Lully, seines Zeichens surintendant de la musique unter König Ludwig XIV., aus der das charakteristische Schema entstand. Dieses besteht nun aus einer langsamen einleitung im punktierten Rhythmus, dem ein rascherer, oft kontrapunktischer Teil folgt; dieser wiederum macht einem dritten Abschnitt Platz, der seinerseits, zumindest teilweise, wenn nicht ganz, auf das Material der einleitung zurückgreift. Dieses Schema sollte für beinahe ein Jahrhundert generell ein ehernes Gesetz werden. Tatsächlich schrieb der schweizerische Philosoph, Musiker und enzyklopädist Jean-Jacques Rousseau noch 1768: „Diejenigen Ouvertüren der frantzösischen Opera sind fast allesamt nach denen des Lully gebildet.“ Zum ende des 17. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der Be-griff der „Ouverture“ erweitert: Jetzt bezeich- nete er nicht mehr bloß die Ouvertüre selbst, sondern auch die anschließende Folge orches- traler Tanzsätze. Diese Ouvertüren-Suiten kamen im Frankreich der Lully-Zeit in Mode, wurden aber erst durch das Werk seiner Schüler und nachfolger kultiviert und verbreitet. Zu nennen sind hier vor allem Georg Muffat (1653- 1704) und Johann Sigismund Kusser (1660-1727), zwei Schüler von Lully in Paris – sowie Johann Kaspar Ferdinand Fischer (ca. 1670-1746). Diese Komponisten, aber auch andere Kollegen wie Johann Joseph Fux (1660-1741) assimilierten den Orchesterstil des Lully und setzten eigene Akzente. Ihre „Ouvertüren“, von denen viele im Druck erschienen, wurden wieder zum Modell der nächsten Komponistengeneration – Johann Sebastian Bach, Händel, Graupner, Stölzel und andere führten die Form zu ihrem stilistischen Höhepunkt. Obwohl lediglich vier Orchestersuiten von J. S. Bach erhalten sind, spiegelt sich darin keinesfalls die ganze Faszination, die für ihn von dieser Gattung ausging. Auch im Rahmen seiner Kan- taten und in verschiedenen Klavierwerken ist sie immer wieder zu finden. Ihre genaue Datie- rung ist nicht möglich. Früher ging man davon aus, sie seien durchweg in den Jahren 1717 bis 1723, mithin während Bachs Köthener Zeit ent- standen. Heute gilt es hingegen als wahrschein- lich, dass vieles aus den Leipziger Jahren (1723- 1750) stammt und vielleicht sogar auf Bachs Pflichten als Musikdirektor des dortigen Colle- gium Musicum zurückging. ouverture nr. 2 h-Moll BWV 1067 Die Suite nr. 2 h-Moll ist für Traversflöte, Streicher und Basso continuo geschrieben und beginnt mit einer typischen französischen Ouvertüre, die zwar im Wesentlichen nach Lullys Vorbild geformt ist, dabei aber auch Aspekte der deutschen und der italienischen Musik einblendet. Tatsächlich ist hier – wie in der gesamten, intimen Kammersuite – das element des Solokonzerts deutlich vertreten. Der echten, dreiteiligen Ouvertüre, in der das Metrum des erstenAbschnitts durch einen Dreiertakt im dritten ersetzt wird, folgt ein „Rondeau“ im Stil und Tempo einer Gavotte. Dann kommt eine „Sarabande“, ein ehemals schneller Tanz, der mittlerweile aber durch die Arbeit der französischen Opernkomponisten ein vorneh- mes, gravitätisches Tempo ange- nommen hatte. Zwei „Boureen“ – ein Tanz, der der Gavotte ähnelt, allerdings rascher gespielt wird – führen zu einer „Polonaise“ mit „Double“. Dieser Tanz, dessen Wurzeln man in Polen findet, wurde von Johann Mattheson (einem Zeitgenossen Bachs und zeitweiligen Konkur- renten Händels auf dem Cembalo) folgendermaßen beschrieben: Réunion de musiciens, 1710, André Bouys (1665-1740) CD: la festa musicale – Francesco Venturini: Concerti

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