Tage Alter Musik – Programmheft 2022

10 TAGe ALTeR MUSIK ReGenSBURG Konzert 1 dem als Fuge mit gelegentlichen homophonen Abschnitten konzipierten Chorsatz tragen zu Beginn Bass, Tenor, Alt und Sopran nacheinander jeweils einen neuen Psalmvers vor, sodass es schließlich zu einer Überlagerung der Texte der ersten vier Verse kommt. Die Ausnahmestellung dieses Satzes wird unterstrichen durch die Wahl der Tonart d-Moll – alle anderen Sätze stehen in Durtonarten –, den archaisierenden Stile antico imAlla-breve-Takt mit Soggetti in langen notenwerten und die raffinierte kontrapunktische Gestaltungsweise. In denkbar größtem Kontrast hierzu konzipierte Mozart den folgenden Satz, Laudate Dominum, als schlichte Sopranarie mit weit gespannten Melodiebögen im wiegenden 6/8-Takt. Der Chor übernimmt die kantable F-Dur-Melodie für die Doxologie, bevor sich der Solosopran im abschließenden „Amen“ noch einmal virtuos über den Akkorden des Chores entfaltet. Die bereits in Zusammenhang mit der C-Dur-Messe erwähnte sonatensatzartige Anlage einzelner Sätze zeigt sich in den Vesperae solennes de Confessore am deutlichsten im Magnificat. Dieser letzte Satz besteht aus einer fünftaktigen langsamen einleitung, in der der feierliche Charakter des gesamten Satzes hervorgehoben wird, und einem längeren Allegro-Teil, bestehend aus einemAbschnitt, in dem drei thematische Bereiche vorgestellt werden, einem modulierenden Mittelteil, einer Reprise und einer ausgedehnten Coda. In den Monaten zwischen den beiden Anstellungen am Salzburger Hof – von September 1777 bis Mitte Januar 1779 – hatte sich Wolfgang Amadeus Mozart auf einer Bewerbungsreise, die ihn und seine Mutter u. a. nach München, Mannheim und Paris geführt hatte, vergeblich um eine neue Position bemüht. In einem Brief an seinen Vater Leopold vom 9. Juli 1778 hebt Mozart die Unterschiede zwischen den Verhältnissen am Salzburger und am Mannheimer Hof hervor: „... dies ist auch eins von den haupt=sachen was mir Salzburg verhast macht — die grobe, lumpenhafte und liederliche Hof=Musique – es kann ja ein honneter Mann, der lebensart hat, nicht mit ihnen leben; – er muß sich ja, anstatt daß er sich ihrer annehmen könnte, ihrer schämmen! – dann ist auch, und vielleicht aus dieser Ursache, die Musick bey uns nicht beliebt, und in gar keinen ansehen – ja wenn die Musique so bestellt wäre wie zu Mannheim! – die Subordination die in diesem orchestre herscht! – die auctorität die der Cannabich hat – da wird alles ernsthaft verrichtet; Cannabich, welcher der beste Director ist den ich je gesehen, hat die liebe und forcht von seinen untergebenen.“ Den Mannheimer Orchestererzieher und -leiter Christian Cannabich hatte die Familie Mozart bereits 1766 in Paris kennengelernt. Der Kontakt hatte sich allerdings erst während Mozarts Aufenthalt in Mannheim zwischen ende Oktober 1777 bis Mitte März 1778 intensiviert. Cannabich war es auch, der 1781 die Münchner Uraufführung von Mozarts Idomeneo leiten sollte. Cannabich diente insgesamt 54 Jahre in der Hofkapelle des pfälzischen bzw. bayerischen Kurfürsten Carl Theodor (1724–1799). Als Schüler von Johann Stamitz wurde er im Mai 1744 als gering besoldeter Violinist in die Hofkapelle aufgenommen, im Februar 1746 zum Hofmusiker und spätestens 1759 zum Konzertmeister ernannt. Seinen hervorragenden Ruf als Orchesterleiter erwarb sich Cannabich in der Zeit als Instrumentaldirektor des ensembles, eine Position, die er von 1774 bis zum Lebensende zunächst in Mannheim und nach der Übersiedlung des Mannheimer Hofes ab 1778 in München bekleidete. Verschiedene von Carl Theodor mitfinanzierte Reisen hatten Cannabich u. a. 1752/53 und 1754 nach Italien geführt, wo er seine kompositorischen Studien bei niccolò Jommelli und später vermutlich bei Giovanni Battista Sammartini fortsetzte. Den Schwerpunkt seines musikalischen Œuvres bilden über 40 Ballette und mehr als 70 Sinfonien. Die Sinfonie nr. 67 in G-Dur für Flöte, 2 Oboen, 2 Hörner und Streicher zählt zur Gruppe der

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