Tage Alter Musik – Programmheft 2022

41 TAGe ALTeR MUSIK ReGenSBURG Konzert 8 Album Vivaldi der Gruppe beteiligt. Außerdem veröffentlichte sie gemeinsam mit der Sopranistin Sabine Devieilhe und Le Concert d’Astrée unter emmanuelle Haïm das Händel-Album Italian Cantatas. 2021 entstand Lea Desandres erstes Solo-Album „Amazone“ gemeinsam mit Jupiter. Der 1988 in Paris geborene thomas Dunford entdeckte bereits mit neun Jahren Laute und Theorbe für sich und studierte später am Conservatoire de Paris (Charles-edouard Fantin) und an der Schola Cantorum (Hopkinson Smith) in Basel. Wenngleich auf Alte Musik spezialisiert, ist der vielseitige Künstler in verschiedenen epochen zuhause und liebt insbesondere den Jazz. 2003 gab Thomas Dunford in Shakespeares „Twelfth Night“ sein Debüt an der Comédie-Française. Seitdem tritt er weltweit bei Festivals und in den großen Konzerthäusern auf, darunter die Berliner und Pariser Philharmonie, das Bozar in Brüssel und das Leipziger Bachfest. Als Kammermusiker arbeitet er mit Dirigenten und Solisten wie William Christie, Isabelle Faust, Philippe Herreweghe, Anne Sofie von Otter und Trevor Pinnock. Regelmäßig gastiert er als Dirigent bei Originalklang-ensembles wie Les Arts Florissants, der Academy of Ancient Music und ensemble Pygmalion. 2018 gründete Thomas Dunford mit Jupiter sein eigenes ensemble. Das erste Album, ausschließlich mit Werken von Antonio Vivaldi, wurde mehrfach ausgezeichnet. Auch Dunfords vorherige Alben „Lachrimae“, „Labirinto d’Amore“ und „Bach“ (2018) sind preisgekrönt. zum Programm: Zu dem populären Gestirn am Barockhimmel, das er heute ist, hat Antonio Vivaldi im Laufe des 20. Jahrhunderts erst allmählich werden müssen. nach erstarkendem Interesse am Œuvre des Venezianers kurz nach der Jahrhundertwende war noch bis in die 1910er Jahre hinein ein Großteil seines Schaffens unbekannt. erst danach ebneten schnelle Fortschritte in Werk- und Biographiekenntnis den Weg für die ersten umfangreichen Leben-und-Werk-Studien in den 1940er Jahren und den Beginn der edition sämtlicher Instrumentalwerke. Heute ist Vivaldi längst bekannt als einflussreicher Modellierer des barocken Violinkonzerts und hat im kollektiven Gedächtnis seinen Platz als Komponist der Quattro Stagioni gefunden. Im Konzert des ensembles Jupiter und der Mezzosopranistin Lea Desandre wird dieses Repertoire allerdings keine – oder fast keine – Rolle spielen. Dabei konzentriert sich das Programm keineswegs auf nischenrepertoires im Schaffen Vivaldis, wohl aber auf Bereiche, die von der Popularität seiner Violinkonzerte bisweilen überschattet werden: die Oper, geistliche Werke und Kammermusik. Die Hauptrolle in den Instrumentalwerken RV 82 und 93 (RV nach dem Werkverzeichnis Peter Ryoms) gehört der Laute, die aber nicht in beiden Fällen von einer gleichen Struktur der Begleitstimmen umgeben ist. In der Sonate RV 82 in C-Dur ist neben der dominanten Laute und dem obligatorischen Basso continuo eine Violine besetzt, die überwiegend nicht obligat ist, also über kein eigenständiges Material verfügt: Häufig verdoppelt sie die Laute oder zeichnet deren Linie vereinfachend nach. es handelt sich hier beinahe um Solosonaten für die Laute, während das Konzert RV 93 in D-Dur zwei Violinen verwendet und in seinem angedeuteten Wechsel von Solo und Tutti in Richtung Konzertform tendiert, auch wenn in dieser kammermusikalischen Besetzung der Solostimme keine mehrfach besetzten Orchesterstimmen gegenübertreten. Beide Werke sind dem Grafen Johann Joseph von Vrtba (1669–1737) gewidmet, dem hochdekorierten Angehörigen eines alten böhmischen Adelsgeschlechts, der zu Vivaldis Förderern in Prag gehörte und in seiner Familie das Lautenspiel pflegte. Das Violoncello ist nach der Violine das von Vivaldi am häufigsten in seinen Konzerten eingesetzte Soloinstrument. Die meisten der knapp 30 Violoncello-Konzerte entstanden wahrscheinlich für das Ospedale della Pietà, dem Mädchenwaisenhaus, dessen renommierte und prestigeträchtige Musikpflege lange Zeit einen wichtigen Rückhalt in Vivaldis Karriere bildete. Vermutlich wurden die Konzerte vorwiegend schon in den 1720er Jahren geschrieben, als eigens angestellte Maestri di Violoncello am Ospedale für ein Spielniveau der Schülerinnen sorgen konnten, das die Ausführung dieser zeituntypisch schwierigen Konzerte ermöglichte. In eine frühere Phase gehört das Violoncello-Konzert in g-Moll RV 416. es ist vor 1714, womöglich auch schon vor 1708/09 entstanden. Hier wird ein Idiom verwirklicht, wie es Vivaldi auch in seiner Durchbruchspublikation präsentiert hatte, dem Estro armonico, op. 3, der 1711 seinen europaweiten Ruhm als Instrumentalkomponist begründete – wenn auch ohne ein einziges reines Violoncello-Konzert zu enthalten. Als Komponist geistlicher Musik ist Vivaldi der nachwelt überhaupt erst seit den 1930er Jahren bekannt geworden, als die erschließung umfangreicher Turiner Bestände einen substanziellen einblick in das entsprechende Repertoire ermöglichte. Heute sind etwa 60 geistliche Werke Vivaldis bekannt, die eine große textliche und gestalterische Bandbreite abdecken. neben liturgisch fest verortbaren Werken wie Messen oder Psalmvertonungen steht Musik zu neu gedichteten Texten, zu denen insbesondere Oratorien sowie Motetten (im zeitgenössischen Sprachgebrauch keine Chor-, sondern sängerisch anspruchsvolle Solostücke) gehören. entgegen früheren Vermutungen ist dieses Repertoire nicht für S. Marco entstanden, sondern vor allem für den Gebrauch im Ospedale della Pietà. Dort wurden keineswegs nur Instrumentalwerke aufgeführt. ein eigens Lea Desandre, Mezzosopran Foto: Julien Benhamou Thomas Dunford, Laute & Leitung Foto: Julien Benhamou Louise Ayrton, Violine Foto: Benoît Auguste

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=