Tage Alter Musik – Programmheft 2022

57 TAGe ALTeR MUSIK ReGenSBURG Konzert 11 Zu dieser Zeit war es allgemein üblich, Motetten oder Orgelstücke zwischen den Psalmen einzustreuen, ergänzend oder alternativ zu denAntiphongesängen, die normalerweise jeden Psalm begleiten. Cozzolanis Werke aus ihrer Sammlung von 1650 und aus einem älteren Band (den Concerti sacri von 1642), die hier – beginnend mit dem achtstimmigen Satz Deus in adiutorem / Domine, ad adiuvandum me - zu hören sind, werden von einem Stück begleitet, das schon zwei Generationen vor Cozzolani entstanden ist, den Duo Seraphim (einem aus Monteverdis Sammlung von 1610 bekannten Text über die Dreifaltigkeit) von Caterina Assandra, einer Benediktinerin aus dem benachbarten Pavia. Von ihren Werken ist nur ein einziger Band erhalten, der 1609 erschienen ist. Unser Vokalensemble folgt bei seiner Aufführung der Psalmen der Druckausgabe von 1650: zwei Chöre, die sich oft mischen, jeder mit einer SopranAlt-Tenor-Bass-Besetzung. Die Anpassungen für die Chöre der nonnen – Kombinationen mit einer um eine Oktave höher gesetzten Bass-Stimme, tiefe Frauenstimmen in der Tenorlage usw. - variierten vermutlich von Kloster zu Kloster. Das auffallendste Merkmal der Psalmvertonungen von Cozzolani ist der einsatz von Versen, die (losgelöst von der strikten liturgischen Ordnung) in verschiedenen Abschnitten wieder auftauchen. Ganz offen tritt das in Dixit Dominus und Beatus vir zutage. Dieses Vorgehen, das auch in anderen Repertoires norditalienischer Vespern der Zeit zu finden ist, schafft für jeden Psalm einen umfassenden Rahmen und eine übergreifende Wirkung. Bisweilen arbeitete Cozzolani bei aufeinander folgenden Psalmversen mit dem Variationsprinzip, indem sie zwischen schwierigen Solos (einschließlich eines ausgesprochen tiefen Bass-Solo), Duetten, dem ensemble und dem Wechselgesang zwischen den beiden Chören alternierte. Alles in allem ist ihr Vorgehen ganz „modern“, wenn man davon ausgeht, dass die spanische und österreichische entourage von Maria Anna in der St.-Radegonda-Kirche zusammengekommen ist, um nicht nur die Virtuosität der Sängerinnen, sondern auch einen zeitgemäßen Kompositionsstil zu hören. Auch die Motetten sind typisch für diese Zeit. Zwei Solostücke aus der Sammlung von 1642 sind Lobpreisungen Marias; es sind ekstatische Werke, die beide in dreifachen Refrains kulminieren. Die beiden Stücke für ein größeres ensemble aus dem Band von 1650 verbinden den Lobpreis Christi mit der Frömmigkeit Marias, indem beide Male der Akzent auf ihre sogenannte doppelte Rolle als Fürsprecher gesetzt wird: Christus als Fürsprecher für die Menschheit, Maria mittels ihres Sohnes in derselben Rolle. Während im fünfstimmigen Tu dulcis, o bone Jesu die zwei Gruppen – Tenöre und Soprane – die Bitten an Jesus und an die Madonna wechselweise richten, vor allem nach dem Muster, dass sie dann in ein SchlussTutti einmünden, verwendet Cozzolani im ernsthaften und eindringlichen Duett O quam bonus es für das Blut Christi, das die Welt errettete, und die Milch Marias, die den Heiland nährte, eine andere Vorgehensweise. Bei all dem mittelalterlichen erbe dieser Andachts-Thematik wählt sie sehr moderne musikalische Mittel. Hier setzt der zweite Sopran nach einem langen eröffnungs-Solo des ersten Soprans auf der selben Tonhöhe ein und fügt der Süßigkeit Christi (normalerweise ein Verweis auf die Hostie) die Sanftheit Marias hinzu. Mit ihren überraschenden einsätzen, harten Dissonanzen und unerwarteten Phrasenlängen verwundert es nicht, dass Cozzolani gegen ende für einen rhythmisch betonten Abschluss sorgte, indem sie das Chaconne-Bassmuster einsetzte, um den Abschnitt O potus, O cibus zu verankern. Dieses Stück ist somit eine passende Hommage an das Können der Sängerinnen von Sankt-Radegonda. Autor: Robert L. Kendrick Übersetzung & Lektorat: Christina & Hannsjörg Bergmann I GeMeLLI Vokalisten: Mathilde etienne, natalie Perez Sopran Pauline Sabatier, Angelica Monje torrez Alt Anders Dahlin, emiliano Gonzalez toro Tenor nicolas brooymans, Geoffroy buffière Bass Instrumentalisten: Annabelle Luis Violoncello Vincent Flückiger Theorbe Marie Domitille Murez Harfe Violaine Cochard Orgel rodrigo Calveyra, Josué Meléndez Zink & Flöte Laura Agut, Fabio de Cataldo Posaune AUSFüHrenDe CHIArA MArGArItA CozzoLAnI (1602–1676/78) – MArIenVeSPer (1650) Domine ad adjuvandum me festina Dixit dominus Psalm 109/110 O Maria, tu dulcis Motette für Tenor solo Salve, o regina Motette für zwei Soprane Duo seraphim Caterina Assandra (c.1590–1618) für drei Stimmen nisi dominus Psalm 126/127 Concinant linguae Motette für Alt solo Beatus vir Psalm 111/112 O quam bonus es Motette für Sopran & Tenor Magnificat secondo Konzertdauer: ca. 80 Minuten (keine Pause) ProGrAMM CD: I Gemelli – Cozzolani: Vespro

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