Tage Alter Musik – Programmheft 2022

60 TAGe ALTeR MUSIK ReGenSBURG Konzert 12 beginnt und die Polyphonie nach und nach aufbaut, um dann abrupt mit einem unisono peccavi (ich habe gesündigt) zu enden. Sancte Deus gehört wahrscheinlich zu einer viel früheren Periode in Tallis´ Schaffen. Während der 1530er und 1540er Jahre bevorzugte die Kirchenmusik einen eher direkten und strengen Stil, wie er sich auch in dieser vierstimmigen Motette zeigt. Der Text ist den Gebeten entnommen, die traditionell in den Gottesdiensten während der Karwoche verwendet werden: Bittgebete, die die Macht und Barmherzigkeit Gottes betonen. 1605 publizierte Byrd eine monumentale Sammlung von Motetten, in denen er alle Texte vertonte, die für die einzelnenAbschnitte und Feste des Kirchenjahres geeignet sind: eine explizit katholische Sammlung für die Verwendung in Gottesdiensten, mit der Byrd seine eigene Glaubensüberzeugung als Katholik demonstrierte – in einem Land, das Katholiken immer noch nur widerwillig tolerierte. Doch sein Glaube an eine Besserung dieser Lage dürfte nur kurzlebig gewesen sein. Denn schon ab november desselben Jahres sollte die Pulververschwörung (gunpowder-plot, auch bekannt als Guy-Fawkesnight) das Leben für Papisten wie Byrd wieder sehr ungemütlich machen. Die vier hier gesungenen Motetten sind für das Allerheiligenfest am 1. november gedacht. Fünfstimmig gesetzt, zeigen sie eine große stilistische Bandbreite von der Fülle und dem Überschwang im Introitus Gaudeamus omnes und des Graduale Timete Dominum im Gegensatz zu dem in sich gekehrten und bußfertigen Justorum animae bis zu der kumulativ aufgebauten Motette Beati mundo corde während der Kommunion, in der bei jeder neuen Seligpreisung eine weitere Stimme hinzukommt. Die lateinische Motette Exaudiat te Dominus von Robert White muss wohl für eine Aufführung in der königlichen Kapelle gedacht gewesen sein. Während der Regierungszeit von elisabeth I. war die Privatkapelle der Monarchin einer der wenigen Räume, in denen die Sprache des katholischen Rom noch toleriert wurde. In diesem Stück gibt ein ruhiges eröffnungstrio den Weg für einen imposanten Chor frei, der den Text in einem eher geradlinigen, direkten Duktus deklamiert. Danach wird jede Vokalpartie in zwei Stimmen aufgespalten, der englischen gimel-Technik folgend, in der jede Stimme entweder in der lagengleichen Verdoppelung oder mit parallel geführten Terzen ausgeführt wird, was dicht gewirkte Duette und Quartette ermöglicht. Zuletzt werden die Stimmen zu einem siebenstimmigen majestätischen Amen zusammengeführt. Peter Philips hat sich vermutlich weniger der königlichen Gunst erfreut als Tallis, Byrd oder White. er war Katholik im exil, der zudem beschuldigt wurde, in die Pläne für ein Attentat auf die Königin involviert gewesen zu sein. er hatte sich in Antwerpen niedergelassen, wo 1612 auch eine Thomas Tallis & William Byrd, British Museum

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