Tage Alter Musik – Programmheft 2022

73 TAGe ALTeR MUSIK ReGenSBURG Konzert 15 Jahr 1515 und die Schlacht von Marignan stellen demnach den Wendepunkt vom Mittelalter zur Renaissance dar. Schenkt man dieser vereinfachten Geschichtsauffassung Glauben, so wäre Italien die einzige Wiege der Renaissance gewesen. Beschäftigt man sich aber ein wenig näher mit dieser Zeit, erkennt man, dass diese Behauptung zu eng gefasst ist. In Wirklichkeit gab es an den verschiedenen Höfen europas bereits einen kulturellen und künstlerischen Austausch. norditalien imAllgemeinen und Venedig im Besonderen standen imMittelpunkt des Interesses. Unser Programm besteht aus Gabrielis frühen Werken, von denen die meisten 1587 in den Concerti und 1597 in den ersten Sacrae Symphoniae veröffentlicht wurden. es veranschaulicht die entstehung der typisch italienischen Kunst großer ein- und doppelchöriger Stücke und verfolgt dabei das Ziel, diese Musik in ihrer ursprünglichen Formwiederzugeben, in der Stimmen und Instrumente kombiniert werden. Mit dem heute geläufigen Begriff „Jugendwerk“ könnte man die Stücke zu Beginn seiner Publikationen im Jahr 1587 bezeichnen. Obwohl sie Giovanni gemeinsammit seinem Onkel Andrea veröffentlichte, wurde er auch dadurch unabhängig, dass er dies unter seinem eigenen namen tat. Wenn wir davon ausgehen, dass Giovanni 1557 geboren wurde, war er, als er diese Sammlung herausgab, dreißig Jahre alt. Für die damalige Zeit ist das relativ alt, weshalb ich meine, dass wir diese Stücke als abgeschlossen betrachten sollten und nicht als Jugendwerke, die manchmal mit „Versuchen“ oder mit „in entwicklung begriffenen Werken“ gleichgesetzt werden. Zu beachten ist auch, dass die vorliegende Publikation zwei Jahre nach dem Tod seines Onkels Andrea erschien. Das ist deshalb wichtig, weil der einfluss und die Rolle seines älteren Verwandten zweifellos prägend waren und seine eigene entfaltung bremsten. Man muss sich auch vorstellen, unter welchen einflüssen Giovanni durch die Ausbildung bei seinem Onkel und danach bei Orlando di Lasso stand, von dem er unterrichtet wurde, als sein Onkel ihn von 1575 bis 1597 nach München zumHerzog von Bayern schickte, um ihn vor der Pest zu schützen. Abgesehen von den Canzoni a 4 und den oben genannten Motetten, wollte ich einen Hinweis auf Giovanni Gabrielis Ausbildung geben. Das ist der Grund für die einbeziehung der zwei Stücke, die nicht von Giovanni Gabrieli stammen: erstens das Magnificat von Claudio Merulo, der an der Markuskirche zur selben Zeit wie die Gabrielis Organist war. es ist offensichtlich, dass seine Arbeit Giovanni beeinflusste. Zweitens, ein Stück von Adrian Willaert (1490-1562), Kapellmeister der Basilika San Marco und ein großer Pädagoge, dessen Schüler Andrea war. Venedig und Flandern: eine bedeutende Geschichte Die Verbindung begann im dreizehnten Jahrhundert, als Venedig das Herz Südeuropas war und ein offenes Fenster zur osmanischen und arabischen Welt bot. Ursprünglich fand der Handel mit Flandern in Form von Jahrmärkten in der Champagne statt. Die italienischen Kaufleute kauften Wolle und verkauften Seide, Gewürze und Zucker. Die Seewege zwischen demwestlichen Mittelmeer und demAtlantischen Ozean sollten später die Macht der Häfen von Brügge und dann von Antwerpen stärken und so einen neuen Knotenpunkt für Kaufleute aus england, der Ostsee, Italien und Frankreich schaffen. Schiffe aus Venedig legten im Hafen von Antwerpen mit Laderäumen voller Waren an, aber auch mit Gemälden, die auf dem Rückweg durch flämische Kunstwerke ersetzt wurden. Diese Tauschgeschäfte bereicherten die persönlichen Sammlungen reicher venezianischer und flämischer Kaufleute und Bankiers. Wir können also die Anfänge der gegenseitigen künstlerischen Beeinflussung zwischen VeneAdrien Mabire, Zink und Leitung Violaine Le Chenadec, Sopran Marnix De Cat, Countertenor Virgile Ancely, Bass Renaud Bres, Bass-Bariton Benoît Tainturier, Zink

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