Tage Alter Musik – Programmheft 2024

er seine anregungen den Sinfonias aus Kantaten mit anderen Soloinstrumenten (wie Oboe, Flöte und Violine), Sätzen aus Violin- und Oboenkonzerten undarien aus geistlichen und weltlichen Kantaten. Man muss diese rekonstruktionen nicht rechtfertigen. nach allem, was wir wissen, ersetzte Bach oft ein Soloinstrument (Violine, Oboe, Querflöte, Flöte usw.) durch die Orgel oder umgekehrt. es ist deshalb sehr wohl berechtigt, Sinfonias für Orchester mit Solo-Violine, - Oboe oder -Querflöte mit obligater Orgel und Orchester aufzuführen. Das gleiche gilt für seine Oboen- und Violin-Konzerte, aus denen er später einzelne Sätze in Sinfonias für Orgel und Orchester umarbeitete. genauso plausibel ist es, arien zu Konzertsätzen umzuschreiben: Die aria BWV 29/5 für Sopran scheint ein Satz aus einem verlorengegangenen Oboenkonzert gewesen zu sein, dem Bach in der Kantate eine gesangsstimme hinzufügte; die aria BWV 57/3 für Sopran hat nahezu denselben Charakter und dieselbe Melodie wie das adagio aus dem Violinkonzert BWV 1052r und die beidenarien BWV 215/3 und BWV 30/3 mit Vivaldis „ritornell-Struktur“ klingen ohne Text fast wie Sätze aus einem instrumentalkonzert. anscheinend machte Bach kaum unterschiede beim Komponieren eines gesangsolos und eines Solos für Violine oder Oboe; dies wiederum bedeutet, dass man bei einigen Teilen der rekonstruktion vergessen kann, dass es sich ursprünglich um eine aria handelte. Bachs Kompositionsweise ermöglicht es also völlig zu recht, vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Sinfonias und arien aus Kantaten sowie der Sätze aus Violin- bzw. Oboekonzerten neue, hypothetische rekonstruktionen von dreisätzigen Konzerten für Orgel mit „unterlauffender Doucen instrumental-Music“ zu entwerfen. Die Konzerte für Orgel und Streicher, Teil ii, waren geboren. Die rekonstruktionen orientieren sich an folgendem Prinzip: Die Oboe-Partien fallen weg in analogie zu Bachs Violin- und Cembalo-Konzerten. alles in allem verstärken diese nur den Violinpart. Pauken und Trompeten fallen weg in analogie zu Bachs Überarbeitung der Sinfonien BWV 29 bis BWV 120a, wo er selbst auch nur die Streicher und die Oboen beibehält. rekonstruktion der Solopartitur für Orgel auf zwei notenliniensystemen für die Melodielinie und den generalbass. Der historischen aufführungspraxis auf großen Orgeln entsprechend spielte der Organist die Solopartie mit der rechten Hand, die Basslinie mit dem Pedal und mit der linken Hand die akkorde des generalbasses. Diese Praxis war nur mit großen Orgeln, nicht mit kleinen Orgelpositiven möglich. Bart Jacobs & Les Muffatti bei ihrem Konzert 2022 auf der Orgelempore der Dreieinigkeitskirche Foto: Hanno Meier Tage alTer MuSiK regenSBurg Mai 2024 Carl August Hartung (1723-1800): Abschrift (ca. 1720-1739), Passacaglia BWV 582 Quelle: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz BachDigitalSource_source_00001211 D-B Mus.ms. Bach P 274, Faszikel 5, Seite 1 und Seite 2 26

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