Tage Alter Musik – Programmheft 2024

Tage alTer Musik regensburg konzert 10 streichquartett der klassischen und romantischen epoche vergleichen: Von1600 bis 1800 war sie das beliebteste kammermusikalische genre. Die jüngste CD-Veröffentlichung von le Consort ist Violinkonzerten von antonio Vivaldi gewidmet. im Februar 2024 erschien eine Doppel-CD unter dem Titel „Concerti per una vita“ beim label harmonia mundi. solist der Violinkonzerte ist Théotime langlois de swarte. le Consort wird von der banque de France und der singer-Polignac Foundation unterstützt. zum Programm: Specchio Veneziano – Der Venezianische Spiegel Zu beginn des 18. Jahrhunderts wirken in Venedig zwei geniale Violinisten nebeneinander: antonio Vivaldi und giovanni battista reali. Das Talent des ersteren ist unbestritten, denn er hat sich als einer der fantasievollsten, produktivsten und virtuosesten komponisten der barockzeit durchgesetzt. reali dagegen ist völlig in Vergessenheit geraten, obgleich seine Triosonaten in unserem repertoire von einer einzigartigen Originalität zeugen. Wir stellen in diesem konzert die beiden komponisten, deren Werke für uns glanzlichter der venezianischen Triosonate darstellen, wie in einem spiegel einander gegenüber. Das Venedig des 18. Jahrhunderts ist eine stadt, in der die kunst lebt und atmet. aus ganz europa strömen die Menschen wegen ihrer Maler und Musiker zusammen. Hier ist Musik allgegenwärtig: auf den straßen, im Theater, in den Palazzi oder auf den gondeln spielt und singt man. Charles burney, ein englischer Musikhistoriker und literat, beschreibt es auf seiner reise nach Venedig so: „Die erste Musik, die ich hier hörte, war auf der Gasse, den Augenblick, da ich ankam, und zwar von einer herumreisenden Bande von zwo Geigen, einem Violonschell, und einer Singstimme. [...] sie machten es indessen so gut, daß sie in jedem anderen Lande von Europa, nicht allein Aufmerksamkeit erregt, sondern Beyfall würden gefunden haben, welchen sie billiger Weise verdienten. Die beyden Geiger spielten schwere Passagien mit Nettigkeit, der Baß spielte rein und ferm [...]. Doch will ich der Musiken von der Gattung, welche ich hier angetroffen habe, nicht alle erwähnen. Sie kommen so häufig vor, daß die Wiederholung langweilig werden würde.“ (Charles Burney, The Present State of Music in France and Italy, London 1777, in der deutschen Übersetzung von Christoph Daniel Ebeling, Hamburg 1772) im alltag von Venedig gibt es keine Zeit und keinen Ort, wo nicht musiziert wird. Diese beispiellose blütezeit der kunst sollte viele Musiker der stadt inspirieren, darunter auch unsere beiden Protagonisten. Vivaldi und reali veröffentlichten als ihr Opus 1 jeweils Triosonaten, wie viele andere komponisten auch, die in der nachfolge Corellis die unglaubliche Vielfalt dieser Musikform erkannt hatten. im abstand von vier Jahren publiziert (Vivaldi 1705, reali 1709) sind die beiden sammlungen identisch aufgebaut: 12 Triosonaten, deren letzte jeweils eine kontrastreiche und virtuose Folia ist. Das erste Opus, zu dessen Veröffentlichung sich ein komponist entschließt, ist äußerst symbolträchtig. es verbindet jugendlichen esprit mit dem Willen zum erfolg; es ist zugleich eine Offenbarung des persönlichen stils und eine Vorschau auf das künstlerische Vermächtnis. es ist berührend, diese beiden komponisten zu entdecken, die im alter von 27 bzw. 28 Jahren der Öffentlichkeit das erste ergebnis ihres schaffens in einem ausgesprochen persönlichen stil präsentieren. antonio Vivaldi ist der ganzen Welt durch seine konzerte, insbesondere natürlich die Vier Jahreszeiten bekannt. aber sein gesamtwerk ist erstaunlich in seinem erfindungsreichtum, seiner Vielfalt und in der Wahl seiner besetzungen. in seinen Triosonaten weicht er vom Vorbild Corellis ab, sowohl in der Form als auch in der art, wie er die geige einsetzt. Corelli, der aufgrund seiner formalen wie harmonischen konzeption als Vater der Triosonate gilt, entwarf ein Modell in vier sätzen (langsam – schnell – langsam – schnell). Vivaldi aber hat sich von diesem schema emanzipiert, indem er zum beispiel in seiner ersten fünfsätzigen sonate da-chiesa-sätze (Preludio, grave, adagio) mit Tanzsätzen (allemanda, Capriccio, gavotta) kombiniert. Vivaldi lässt uns zunächst in die kontemplative und intensive atmosphäre einer venezianischen kirche eintauchen, um uns dann mit Tänzen zu überraschen, in denen ein virtuoser Wettstreit zwischen den geigen stattfindet. Die Folia (wir bringen sie zum schluss unseres Programms) ist eines der Meisterwerke des sonatenrepertoires für zwei geigen und hat eine mitreißende Wirkung. Die konstruktion des Werks ist faszinierend: langsame Variationen wechseln ab mit schnellen, nachdenkliche mit temperamentvollen, und das ganze in einer stilistischen Meisterschaft, die die interpreten – und die Le Consort, v.l. Théotime Langlois de Swarte, Hanna Salzenstein, Justin Taylor, Sophie de Bardonnèche Foto: Julien benhamou 75

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