Tage Alter Musik – Programmheft 2024

Zuhörer – von der innigkeit zur Virtuosität führt. um die instrumente des Continuo aus einem anderen blickwinkel zu zeigen, haben wir von Johann sebastian bach die Transkription für Cembalo solo des Andante aus dem Oboenkonzert d-Moll von alessandro Marcello hinzugefügt. Das leben von giovanni battista reali ist nach wie vor recht geheimnisvoll. Der geiger veröffentlichte nur zwei sammlungen: die erste 1709 mit 12 Triosonaten, die zweite 1712 mit sonaten für Violine und basso continuo. seine Triosonaten wurden 1710 in amsterdam von estienne roger neu aufgelegt, was von einem gewissen erfolg zeugt (dabei wurde sein Vorname giovanni durch die kurzform Zuanne ersetzt), doch sonst sind nur sehr wenige biographische Details bekannt. er wird als Violinist im Teatro san Fantin in Venedig erwähnt, dann 1727 als kapellmeister des Herzogs guastalla in der emilia romana, wo sich seine spuren verlieren. sein 1709 veröffentlichtes Opus 1, eine Mischung von sonaten und Cappriccios, von denen die meisten bisher noch nicht auf CD veröffentlicht wurden, besticht durch eine ganz persönliche sprache mit überraschenden und raffinierten Wendungen, etwa vom packenden Grave e staccato der sinfonia ii über die anmutige, an Corelli erinnernde Handschrift im Grave der sinfonia i bis hin zur Folia mit ihrer originellen instrumentierung. Hier fügt er den beiden Violinen und dem basso continuo eine Cellostimme hinzu, die den wohlklingenden Dialog der Violinen konzertant begleitet. seine kompositionen sind auch sehr innovativ, indem er zum beispiel die Taktart in den letzten Variationen ändert: die Folia im Dreiertakt überlässt den Platz zwei Variationen im Zweiertakt! Der effekt ist verblüffend und verlangt vom interpreten ein accelerando, lange bevor der begriff in der Musik überhaupt eingeführt wurde. realis stil ist überraschend und unverwechselbar: er arbeitet mit Wiederholungen und einem größeren Tonumfang für die Violinen – als einer der wenigen komponisten geht er in seinen Triosonaten bis zum hohen D, in seiner sonata X wagt er sich sogar bis zum Fis. Zwischen der Corelli-Tradition und dem einfluss Vivaldis entwickelt reali einen dezidiert persönlichen stil, der Texturen, resonanzen und Phrasen mittels einer reichen und inspirierenden Harmonik in szene setzt. Wie in einem spiegel wollen wir die Werke Vivaldis und realis einander gegenüberstellen und lassen uns dabei auf rhythmische und dynamische spiele ein, um die Tiefe, authentizität und spontaneität dieser sonaten zu enthüllen. lassen wir die Opera Prima der beiden venezianischen komponisten Vivaldi und reali noch eine Weile in uns nachklingen! Autorin: Sophie de Bardonnèche Deutsche Fassung: Christina & Hannsjörg Bergmann Le Consort, v.l. Justin Taylor, Sophie de Bardonnèche, Théotime Langlois de Swarte, Hanna Salzenstein Foto: Julien benhamou CD: Le Consort – Specchio Veneziano Tage alTer Musik regensburg Mai 2024 76

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